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Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Titel: Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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brauchen. Das hängt aber alleine von dir und deiner Entscheidung ab, die du am Ende unseres Gesprächs treffen wirst.«
    Boijakmar sprach in Rätseln für den Lordmaster. »Ich soll für Euch eine Entscheidung treffen?« Madhrab war verwirrt. Es war nichts Außergewöhnliches für ihn, Entscheidungen zu treffen. Als Befehlshaber tat er dies fortwährend. Allerdings hatte er nicht erwartet, dass Boijakmar gekommen war, um ihn vor eine Wahl zu stellen oder ihm irgendeine Entscheidung abzuverlangen. Es konnte nur etwas Persönliches sein, was nur ihn selbst und vielleicht den Overlord betraf.
    »Du wirst eine Entscheidung treffen, dessen bin ich mir sicher. Welche das allerdings sein wird, vermag ich zwar zu erahnen, weil ich dich ein klein wenig kenne, mein Sohn. Dennoch könnte ich mich irren und es könnte auch anders kommen. Genau deshalb ist Chromlion zur Sicherheit hier. Aber bevor wir dazu übergehen, muss ich etwas anderes von dir wissen … Was ist heute Nacht im Lager geschehen? Ich habe auf dem Weg hierher den Scheiterhaufen gesehen.«
    Die Frage Boijakmars kam für Madhrab überraschend. Doch die Erinnerung war frisch und die Ereignisse spielten sich wieder und wieder mit jedem kleinen Detail in seinen Gedanken ab. Madhrab erzählte Boijakmar ausführlich, was sich in der vergangenen Nacht im Lager ereignet hatte. Mit jedem Wort wurde der Overlord ein Stück blasser und seine Mundwinkel verzogen sich verbittert nach unten.
    Er versteht es nicht, dachte Madhrab. Ich kann es ihm an den Augen ablesen. »Was hättest du an meiner Stelle getan?«, fragte Madhrab mit einer gewissen Verzweiflung in der Stimme. Die schreckliche Entscheidung, die eigenen Kameraden zu töten, brannte wie ein heißer Teerfleck auf seinem Gewissen und ließ sich nicht lindern.
    »Mir fehlen die Worte, Madhrab. Ich weiß es wirklich nicht. Was erwartest du von einem alten Mann?«, sagte der Overlord. Boijakmar legte eine längere Denkpause ein und musterte Madhrab aus seinen getrübten Augen. Er hatte viel gesehen in seinen nunmehr über siebzig Sonnenwenden. Mit einem tiefen Seufzer fuhr er fort: »Wahrscheinlich hätte ich wie gelähmt gewartet, wie sich die Lage weiterentwickelt. Gegen jede Vernunft wäre ich tatenlos dagestanden, ob sich die Seuche tatsächlich bei den Verwundeten zeigen würde. In der vagen Hoffnung, dass sie am Ende gar nicht ausbräche, obwohl ich mir der drohenden Katastrophe sicher gewesen wäre. Das Risiko hätte ich sehenden Auges in Kauf genommen und hätte damit alles gefährdet und womöglich sogar das Schrecklichste geerntet. Niemand hätte mir einen Vorwurf machen können. Was du in dieser Nacht entschieden und vollzogen hast, hätte ich niemals gewagt. Ich kenne mich, dazu wäre ich viel zu feige gewesen. Madhrab, du bist um ein Vielfaches härter und stärker, als ich es jemals war oder sein könnte. Darin unterscheiden wir uns erheblich. Ich habe dich viele Sonnenwenden lang beobachtet und mein Herz war stets mit Stolz erfüllt über den hoffnungsvollen Jungen aus den Bergen. Du bist ein Bewahrer durch und durch, weit mehr als jeder andere vor und wahrscheinlich auch nach dir sein wird. Du bewahrst Leben und handelst intuitiv. Du siehst das Große und Ganze und du erkennst, dass ein einzelnes Leben gegen das Leben vieler in manchen Ausnahmesituationen geopfert werden muss. Du erkennst und handelst. Das macht dich zu dem, was du bist. Du trägst die Verantwortung und bist bereit, dafür einen sehr hohen Preis zu bezahlen«, antwortete Boijakmar zutiefst betroffen.
    Boijakmar wirkte plötzlich müde und sah in diesem Augenblick viel älter aus, als er tatsächlich bereits an Sonnenwenden zählte. Das Wetter und die Ereignisse der vergangenen Wochen hatten ihm schwer zu schaffen gemacht. Der hohe Vater hatte deutlich an Gewicht verloren. Seine Knochen schmerzten und zwangen ihn in eine vornübergebeugte Haltung. Das graue, einst volle und ausdrucksstarke Gesicht war von tiefen Falten durchfurcht und eingefallen. Die Wangenknochen traten deutlich hervor. Über den Knochen spannte sich durchscheinend die Haut. Unter den tief in den Höhlen liegenden, dunkel geränderten Augen hatten sich große Tränensäcke gebildet. Ein dünner weißer Haarkranz umrandete den ansonsten kahlen Kopf. Altersflecken zogen sich über sein Haupt. Madhrab war erschrocken, als er den hohen Vater zum ersten Mal seit längerer Zeit endlich wieder gesehen hatte. Er hatte ihn in einem weit besseren Zustand in Erinnerung behalten.

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