Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
Pferdeschwanzes nach hinten band.
Renlasol erinnerte sich an das hübsche Mädchen namens Tallia. Er hatte sie sehr gemocht und war damals nur drei Sonnenwenden älter gewesen. Sie war ein schlank gewachsenes Mädchen mit feinen Gesichtszügen, einer wundervollen Ausstrahlung und einem geradezu entwaffnenden Lächeln. Es gelang kaum jemandem, ihr einen Wunsch oder eine Bitte abzuschlagen.
Tallias Eltern allerdings lehnten das großzügige Angebot der Sonnenreiter ab und weigerten sich, Tallia an das Haus des Vaters abzugeben. Sie bestanden darauf, ihre Tochter zu behalten, denn sie sollte eines Tages selbst entscheiden dürfen, wie sie ihr Leben gestalten wollte. Master Chromlion war über die ablehnende Entscheidung dermaßen erzürnt, dass er Tallias Eltern in seiner Wut niederstreckte und das Haus der Familie in Brand stecken ließ. Er riss dem Mädchen die Haare büschelweise aus und zerschnitt ihr mit zwei gezielten Hieben das Gesicht. Es war eine Katastrophe und der Bewahrer nicht würdig.
Der Dorfrat tagte schließlich, um zu beraten, ob sie den Vorfall melden sollten oder ruhig bleiben und mit Chromlion verhandeln. Sie entschieden sich für eine Beschwichtigungsgeste zugunsten des Bewahrers. Renlasol sollte an Tallias Stelle den Sonnenreitern beitreten und in das Haus des Vaters gebracht werden. Ein Geschenk, eine freie Dreingabe. Das war schlecht für seine Familie, denn üblicherweise hätten sie eine Abfindung erhalten, aber der Dorfrat versprach, sich auch darum zu kümmern. Renlasol schämte sich, denn er wusste, dass er nicht die notwendigen Fähigkeiten hatte und niemals Bewahrer werden konnte. Dennoch entschloss er sich, sein Bestes zu geben und zumindest ein guter Sonnenreiter zu werden. Wenn möglich, wollte er einer Begegnung mit Master Chromlion künftig aus dem Weg gehen.
In seinen ersten Tagen im Haus des Vaters lernte er Brairac kennen, der für die Neuankömmlinge verantwortlich war. Bei Brairac hatte er stets ein offenes Ohr für seine Sorgen und Nöte gefunden und das ein oder andere Mal, wenn Renlasol etwas angestellt hatte, hatte Brairac sogar ein gutes Wort für ihn bei Madhrab eingelegt. Renlasol empfand großen Stolz, einem so hohen Herrn dienen zu dürfen. Ein Dienst, für den er bereit war, alles zu geben.
Die Soldaten liebten und verehrten den Lordmaster. Sie vertrauten ihm geradezu blind und waren bereit, alles für ihn zu tun. Der Lordmaster, ein Bewahrer der Sonnenreiter, der seinen Eid des Bewahrers wegen des Krieges noch nicht abgelegt hatte, hatte schon oft Unmögliches möglich gemacht und Taten vollbracht, bei denen fähige Männer längst das Zeitliche gesegnet hätten. Sein Einsatz für seine Krieger war vorbildlich und in den meisten Schlachten ritt er einsam und alleine den vordersten Schlachtreihen voran, um für seine Gefolgsleute zuerst mächtige Breschen in die gegnerischen Reihen zu schlagen.
Zu gerne hätte Renlasol eine der Geschichten seiner Kameraden selbst erlebt oder gesehen. Die singende Blutklinge Solatar, das legendäre Schlachtross Gajachi und seinen Meister im gnadenlosen Kampf gegen die Rachuren. Auge in Auge mit den wilden Feinden. Er stand erst seit wenigen Sonnenwenden in den Diensten des Lordmasters, aber schon bald würde er Gelegenheit bekommen, seinen Herren im Kampf zu erleben. Kameraden hatten ihn vor der Strenge und Härte des Lordmasters gewarnt, die keine Fehler zuließ, mangelnde Loyalität und Faulheit unerbittlich bestrafte. Dennoch, Renlasol hatte sich nicht abschrecken lassen, hatte unbedingt in die Dienste des Lordmasters treten wollen, in seiner Nähe sein und von ihm lernen. Er war ehrgeizig und hatte sich viel vorgenommen.
Im Nachhinein gesehen hatten sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet. Renlasol hatte die andere, weitaus angenehmere Seite des Bewahrers kennengelernt. Ohne jeden Zweifel war Madhrab ein außergewöhnlicher Mann, dem er vertrauen wollte und konnte. Er würde das Unheil bestimmt auch dieses Mal wieder bezwingen.
Renlasol stolperte im aufgeweichten Boden und matschigen Lehm seinem Herrn voran durch schier endlose Zeltreihen des Heereslagers. Das größte Heer, das je ein Klan seit den Kriegen der Alten und des verlorenen Volkes befehligt hatte. Er drohte mehrmals auszurutschen und bäuchlings in die eine oder andere Schlammpfütze zu fallen. Doch immer wieder kurz vor dem endgültigen Fall packte ihn von hinten eine starke Hand an seinem Wams, um ihn vor dem Gröbsten zu bewahren und wieder aufzurichten.
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