Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
gelöscht, damit Ihr das Elend nicht mehr sehen müsst und Brairac sich schon einmal an die kommende Dunkelheit des Todes gewöhnen kann?«
Nonjal fing zu stottern an. »N-n-n-nein, ab-b-er nein, Herr, das Licht schmerzte ihn so sehr in seinen Augen.«
»Ihr seid ein Schwachkopf und schimpft Euch einen Heiler. Natürlich hättet Ihr ihn auch in der Dunkelheit hervorragend versorgen können. Hättet Ihr ihm denn nicht ein kühles Tuch über die Augen legen können? Wenn er nicht an der schlecht versorgten Wunde oder am Fieber stirbt, dann wäre er spätestens an Eurer vorbildlichen Fürsorge oder an Euren dämonischen Kräuterdämpfen erstickt!« Madhrab knirschte mit den Zähnen, legte eine kurze Pause ein und polterte sogleich weiter: »Hört auf zu jammern, mit Euch beschäftige ich mich später, jetzt zeigt mir meinen Freund und seine Wunde ... Renlasol komm her und deck ihn auf. Dann lässt du frische Luft herein, sonst ersticken wir hier noch.«
In der Mitte des Zeltes lag auf zerwühlten Leinentüchern ein von hohem Fieber geschüttelter, leichenblasser und zusammengekrümmter Mann. Eine dunkelgraue Wolldecke reichte bis zu seinen Schultern. Er atmete flach und pfeifend. Seine Augen waren geschlossen. Die dunklen Haare hingen ihm schweißnass in die Stirn. Der Körper zitterte und ein Stöhnen drang durch die aufgesprungenen Lippen, aus denen fast das ganze Blut gewichen war, weshalb sie so seltsam tot wirkten. Für einen kurzen Moment öffnete Brairac seine tief in den Augenhöhlen liegenden, schwarz umränderten Augen. Der Blick war glasig und blutunterlaufen. Renlasol hatte den Eindruck, als ob ein leichter grauer Schleier die Augen des Verwundeten bedecken würde. Das Gift zeigte Wirkung. Wenn nicht bald etwas geschah, würde er unweigerlich sterben.
Um die Lagerstätte des schwerkranken Kaptans hatte Nonjal zahllose Schalen und Tontöpfe mit diversen Flüssigkeiten und Kräutern aufgestellt, die munter vor sich hinrauchten und -dampften.
Madhrab trat die Schalen und Töpfe achtlos und mit einem ärgerlichen Schnauben beiseite. Er stellte sich neben Renlasol. Der Knappe tat, wie ihm befohlen, und zog die Wolldecke von Brairacs zitterndem Körper zurück. Brairac lag nackt vor ihnen. Schweißperlen hatten sich über seinen ganzen Körper verteilt. Die Haut wirkte fahl und die Muskeln hatten sich verkrampft. Es war unschwer zu erkennen, an welcher Stelle Brairac verwundet worden war. Sein rechtes Bein war vom Fuß bis unter das Knie fast vollständig schwarz und aus einer schmalen Wunde an der Seite sickerte gelber, stinkender Eiter. Renlasol würgte und rannte zum Zeltausgang, um seinen zweiten Befehl auszuführen. Kaum hatte er die Zeltbahn zurückgezogen, schnitt ihm kalte, feuchte Luft wie ein Messer in seine Lungen. Eine Wohltat gegen den Gestank und den Anblick, aber es nutzte in diesem Augenblick nichts mehr. Er musste sich erneut übergeben. Der Lordmaster bedachte seinen Knappen mit einem kurzen, kritischen Blick und wartete dennoch geduldig, bis er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte.
»Das Bein muss ab.«
Renlasol erschrak.
»Los, Junge, nimm dich zusammen und beeile dich, es sind noch einige Vorbereitungen zu treffen ... Nonjal, setzt heißes Wasser auf und bringt mir frische Tücher. Renlasol, du nimmst dir die beiden Doppeläxte von der Zeltwand da drüben«, er zeigte auf die ihm gegenüberliegende Wand, auf der Renlasol im schwachen Fackelschein zwei übereinander gekreuzte Doppeläxte erkennen konnte, »eine von den Äxten legst du direkt mit der Klinge in das Grubenfeuer vor dem Zelt. Das hast du beim Vorbeigehen doch sicherlich bemerkt.«
Hatte er nicht, aber er würde es beim Hinausgehen kaum übersehen können.
»Warte, bis die Klinge an der Schneide glüht. Das sollte nicht lange dauern. Die andere Axt legst du mit der Schneide in das kochende Wasser und pass auf, dass du dich dabei nicht verletzt.«
Die letzte Bemerkung fand Renlasol vollkommen überflüssig, aber er tat, was Madhrab von ihm wollte, schnappte sich die beiden Äxte von der Wand und lief zuerst nach draußen vor das Zelt. Er holte noch einmal tief Luft. Der Regen machte ihm inzwischen nichts mehr aus. Er nahm ihn kaum wahr. Tatsächlich stieß er direkt vor dem Zelt auf eine geschützte Grube, in der ein gutes Feuer brannte. Das Grubenfeuer war groß genug und würde seinen Zweck erfüllen. Er wunderte sich, dass ihm das Feuer nicht gleich aufgefallen war. Womöglich wäre er noch hineingestolpert und
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