Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
deutlicher zu hören. Es war schon dunkel und sie mussten sich an den vor den Zelten hängenden Laternen orientieren, die munter im Wind schwangen und dabei ein diffuses Licht sowie Schattenspiele verbreiteten. Sie folgten dem Lordmaster in Richtung des tumultartigen Getöses. Nur kurze Zeit später konnten sie einige Fackeln erkennen, deren Träger offensichtlich wild durcheinanderliefen. Sie befanden sich in unmittelbarer Nähe des großen Krankenzeltes.
Ein Sonnenreiter stürzte ihnen entgegen. Madhrab fing ihn mit einem ausgestreckten Arm ab. Der junge Klan war blutüberströmt. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. In seinen Augen standen das pure Entsetzen und panische Todesangst. Die Hände hielt er verkrampft um seinen Hals geklammert. Aus einer klaffenden Wunde schoss pulsierend im Rhythmus seines Herzens Blut und lief ihm in Strömen durch die Finger. Der Sonnenreiter fiel auf die Knie und war durch den hohen und schnellen Blutverlust bereits zu schwach, um wieder aufzustehen. Ohne jegliche Scheu nahm Madhrab das Gesicht des Soldaten in die Hände und fragte energisch: »Was ist geschehen?«
Der Sonnenreiter spuckte Blut und blickte Madhrab flehend aus sterbenden Augen an: »Alle ... verrückt ... sie fallen uns an ... wie wild gewordene Bestien ... reißen mit Zähnen und Händen Fleisch aus unserem Leib ... sind wie rasend«, hauchte der Klan mit schwindender Kraft und sackte dann in die Arme des Lordmasters.
Madhrab hielt ihn so lange fest, bis der Klan schließlich die Augen schloss, einen letzten röchelnden Atemzug nahm und starb. Dann ließ Madhrab den schlaffen Körper zu Boden sinken und stand langsam auf. Eine Zeit lang blieb er still stehen und blickte mit gesenktem Kopf auf den toten Soldaten. Yilassa, Renlasol und Zyagral verhielten sich ruhig, wagten nicht zu sprechen. Der Schrecken des Erlebten saß tief.
Madhrab hatte die schnell näher kommenden Schritte zuerst wahrgenommen. Sie wurden von heftigen Atemstößen und einzelnen schrillen Schreien begleitet. Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. Die Fingerknöchel des Lordmasters färbten sich weiß, als er sein Schwert mit noch festerem Griff umklammerte. Was immer nun kommen mochte, er war bereit, es zu töten.
Aus der Dunkelheit eines Zeltes schoss eine Klan vor und blieb für einen Augenblick schwankend vor der Gruppe stehen. Im schwachen Licht einer Fackel konnte Madhrab ihr von Wahnsinn und Gier verzerrtes Gesicht erkennen. Die Frau war leichenblass, eine klaffende Wunde zog sich von ihrem rechten Auge quer über das ganze Gesicht bis zu ihrem Kinn. Das rechte Ohr fehlte, an der offenen Stelle hatten sich bereits schwarze Male eines beginnenden Wundbrandes gebildet. Sie war nur mit einem halb zerrissenen und schmutzigen Leinenhemd bekleidet. Ein Hemd, wie es die Verletzten im Krankenzelt trugen. Ihr Haar war an vielen Stellen verklebt und stand wild in alle Richtungen ab. Sie starrte den Lordmaster aus blutunterlaufenen, glasigen, vom Fieber gezeichneten Augen an und machte einen wirren Eindruck. Ihr Mund stand weit offen. Keuchend stieß sie ihren Atem hervor. An ihren Zähnen hingen blutige Fleischfetzen und Hautreste einer offenbar kurz zuvor eingenommenen kannibalischen Mahlzeit.
Ohne Vorwarnung stürzte sich die entstellte Kreatur mit einem wilden Schrei und gierig in ihrem unstillbaren Hunger nach frischem Fleisch auf Madhrab.
Im selben Moment, als sie anfing sich zu bewegen, stieß Madhrab ansatzlos und mit einer für die Augen kaum noch wahrnehmbaren Geschwindigkeit zu. Das mächtige Schwert Solatar heulte kurz singend auf und bohrte sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit durch den Körper der vom Wahnsinn befallenen Angreiferin. Die Schwertspitze trat in ihrem Rücken wieder aus. Ein schriller Schmerzensschrei drang aus der Kehle der Frau. Ihre Augen zeigten Überraschung, Schmerz und Wut in einem einzigen Ausdruck. Sie schrie und wand sich, ihr Körper zuckte heftig, wehrte sich gegen das tödliche Schwert, das sich in ihrem Körper heiß und eiskalt zugleich anfühlte und nach ihrer schon verlorenen Seele lechzte. Zu Madhrabs Verwunderung griff sie unversehens mit beiden Händen in die scharfe Klinge, um sich unter großen Anstrengungen und ungeachtet der dadurch verursachten tiefen Schnitte Stück für Stück entlang der Klinge zu ihrem auserwählten Opfer vorzuarbeiten und dabei das Schwert immer weiter durch sich hindurchzustoßen. Sie ließ nicht ab, bewegte sich heftiger. Keuchte und gab von
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