Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
geweckt den Vorplatz des Krankenbereichs. Manche von ihnen waren nur halb angezogen. Offenkundig hatten sie gerade genug Zeit gehabt, sich schnell eine Waffe zu greifen. Jemand musste inzwischen Alarm geschlagen haben. Bald war der Platz voller Klankrieger, die gebannt auf die entsetzliche Szenerie blickten. Als die ersten Soldaten anfingen, ihren verletzten Kameraden zu helfen, trat Madhrab vor und ergriff das Wort. »Halt! Hört sofort auf damit. Das ist vollkommen sinnlos. Tötet die Verletzten auf der Stelle, tötet sie alle«, befahl er.
Die Soldaten blickten ihren Befehlshaber entgeistert an. Eine bedrückende Stille trat auf dem Vorplatz ein, die nur ab und an von einem einzelnen Husten oder Räuspern unterbrochen wurde. Niemand wagte zu sprechen oder sich zu rühren. Einen solch unmöglichen Befehl hatten sie von Madhrab nicht erwartet. Ausgerechnet von ihm, dem sie ihr Leben verschrieben hatten. Ihm, dem sie blind vertraut hatten. Wie konnte er das von ihnen verlangen? Nichts geschah. Der Bewahrer stand regungslos vor den Kriegern und blickte von einem zum anderen. Was er sah, war Verständnislosigkeit in erschreckten Gesichtern.
»Habt ihr mich etwa nicht verstanden? Ich sagte, ihr sollt jeden noch lebenden Verletzten töten. Sofort. Beeilt euch, bevor es zu spät ist«, wiederholte Madhrab seinen Befehl.
Wiederum geschah nichts. Unerträgliche Spannung lag in der Luft. Die Gefahr war für jeden spürbar. Die Soldaten starrten den Lordmaster an, gerade so, als ob er ein Geist wäre und sie seinen Befehl nicht deutlich vernommen hätten. Sie wollten nicht glauben, was er von ihnen verlangte.
Yilassa nahm sich ein Herz, trat schnell an die Seite des Lordmasters und flüsterte aufgeregt in sein Ohr: »Das ist Wahnsinn, Lordmaster. Keiner von uns wird Euren Befehl befolgen. Die Verletzten sind Kameraden und gute Freunde. Wir müssen ihnen helfen. Bei allen Kojos, was ist in Euch gefahren, welcher Irrsinn plagt Euren Geist?«
Madhrab schien Yilassa nicht zu hören und rührte sich nicht. Er schenkte ihr keinen Moment seiner angespannten Aufmerksamkeit. Stattdessen erhob er rasch die Blutklinge, die ein seltsam anmutendes Geräusch von sich gab. Der Lordmaster schritt entschlossen zur Tat und tötete mit einem einzigen Schwertstreich den ersten verletzten Kameraden, der ihm am nächsten auf dem Boden kauerte. Schreie der Entrüstung lösten sich aus den Kehlen vieler anwesender Krieger. Die Stimmung konnte jeden Moment eskalieren. Doch niemand wagte sich vor, zu groß war der Respekt vor dem Bewahrer, dem selbst fünfhundert erfahrene, gegen ihn stehende Krieger auf einmal nichts anhaben konnten. Madhrab ignorierte die Unmutsäußerungen und schritt unaufhaltsam zum nächsten Verletzten.
Noch bevor er diesen töten konnte, fiel Yilassa Madhrab in den Arm. Madhrab schüttelte sie ab und sagte schroff: »Wage das kein zweites Mal.«
Die Spitze des Blutschwertes vibrierte währenddessen an Yilassas Kehle. Sie hatte das Schwert überhaupt nicht kommen sehen. Des Lordmasters bedrohlicher Tonfall und das Funkeln in seinen Augen machten Yilassa unmissverständlich klar, dass ein weiterer ihrer Versuche, ihn aufzuhalten, tödlich für sie enden könnte.
Renlasol sprang an ihre Seite und flehte den Lordmaster an: »Das dürft Ihr nicht tun, Herr. Es ist schweres Unrecht. Sie sind doch unsere Freunde. Bitte ... Lordmaster, es muss einen anderen Weg geben. Lasst von Eurem Vorhaben ab, ich flehe Euch an. Das ist Irrsinn. Die Kriegerinnen und Krieger verehren Euch wie wir alle.«
Madhrab senkte das Schwert und sagte mit klarer Stimme: »Habt ihr denn nicht verstanden, was heute Nacht geschehen ist? Meint ihr, ich töte eure und meine Kameraden mit Vergnügen, weil ich womöglich meinen Verstand verloren hätte? O nein, das ist es nicht. Ich bin Bewahrer und kein Schlächter. Ich bewahre Leben und nicht umgekehrt. Das war nur ein erster übler Vorgeschmack auf die kommenden Tage und die Schlacht gegen die Rachuren. Was ich gesagt habe, muss getan werden und es muss schnell geschehen. Ich kenne nur ein Gift auf diesem Kontinent, das diesen furchtbaren Wahnsinn hervorbringt. Das Gift der seltenen Fjoll-Spinne. Gelangt es über Wunden in den Körper, breitet es sich allmählich aus, wie eine tödliche Seuche. Erst kommt die Lähmung, dann das Fieber und am Ende die unersättliche Rage. Ist es aber erst einmal in den Geist vorgedrungen, gibt es kein Zurück mehr. Geist und Seele der Opfer sind für immer verloren. Die
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