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Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub

Titel: Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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fluchte Lordmaster Kaysahan leise vor sich hin.
    Der Bewahrer trug einen weißen Umhang, der durch die ausladenden Schritte aufgebläht hinter ihm im Wind flatterte. Im Gegensatz zu Madhrab und den meisten anderen Bewahrern hatte sich Lordmaster Kaysahan geweigert, seinen Kopf kahl rasieren und mit den rituellen Runentätowierungen versehen zu lassen. Stattdessen war er an Armen und Oberkörper tätowiert und trug das beinahe schwarze Haupthaar streng nach hinten gekämmt und zu einem langen Zopf zusammengebunden. Da Kaysahan sich die meiste Zeit am Hofe des Regenten aufhielt, hatten die Bewahrer ihm diese Extravaganz zugestanden. Die goldene Sonnenbrosche der Bewahrer hielt den Umhang auf seiner Brust zusammen. Sie saß perfekt und poliert in der Mitte und glitzerte im Sonnenlicht. Er wusste, was sich gehörte und wie er sich ordentlich anzuziehen hatte.
    Der Lordmaster befand sich mit einer Botschaft für den Regenten und den neuesten Nachrichten aus den Klanlanden auf dem Weg in den Kristallpalast. In den frühen Morgenstunden war er aufgebrochen. Der Weg aus der Stadt in den Palast führte ihn nun mitten durch die Terrassengärten.
    Der Bewahrer hatte angenommen, er käme, statt über den weiten Umweg der außen zum Hauptportal führenden Pflasterstraße, auf diese Weise am schnellsten wieder zurück in den Palast. Doch das stellte sich zu seinem Ärgernis als große Fehleinschätzung heraus, denn bereits auf der zweiten Terrassenstufe verlief er sich hoffnungslos im Irrgarten und brauchte unter für einen Bewahrer unwürdigen Flüchen eine halbe Ewigkeit, um wieder den Ausgang zu finden.
    Dringende Geschäfte hatten ihn in die Hafengegend der Stadt getrieben. Ein Schiff mit einem Boten aus dem Norden der Klanlande war eingetroffen. Der Bote hatte offizielle Kunde über die Lage in Eisbergen und den Ausgang der Schlacht am Rayhin sowie eine versiegelte Schriftrolle mit einer Nachricht des hohen Vaters der Bewahrer mitgebracht. Der Inhalt war ausschließlich für die Augen des Regenten Haluk Sei Tan gedacht. Was auch immer Overlord Boijakmar dem Regenten Vertrauliches mitzuteilen hatte, nicht einmal Lordmaster Kaysahan durfte die Schriftrolle öffnen.
    Tut-El-Baya war von jeher eine blühende Stadt gewesen. Sie schien weder Armut noch Elend zu kennen. Bettler, Gescheiterte und Verbrecher suchte man hier vergebens. Zumindest bekam man sie auf den Straßen der Stadt nicht offen zu Gesicht. Niemand wusste, wie und seit wann es zu diesem Umstand gekommen war und wo sich die üblicherweise in einer Hauptstadt als Gesindel bezeichneten unteren Schichten aufhielten. Von Zeit zu Zeit wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt, die Leibgarde des Regenten räume des Nachts mit tatkräftiger Unterstützung der Praister auf den Straßen auf. Es wurde gemunkelt, die in der Gosse lebenden Frauen und Männer verbrächten den Rest ihres kläglichen Daseins in den tief unter der Erde liegenden Kerkern des Palastes. Ohne Licht, bei spärlich Wasser und Brot. Doch mit eigenen Augen vermochte niemand der Einwohner dieses Vorgehen zu bezeugen. Und selbst wenn – niemals hätte jemand zugegeben, etwas gesehen zu haben. Andererseits schien sich in Tut-El-Baya auch kein Klan tatsächlich dafür zu interessieren. Im Gegenteil, ein jeder schien froh, wenn er in seiner Stadt nicht mit dem Abschaum konfrontiert wurde. Tut-El-Baya war dafür einfach zu schön, so sauber, wie sie Tag für Tag wirkte. Das gefiel gut und schien gut. Fremde waren willkommen, aber nur solange sie zahlkräftig waren. Anunzen wurden überall gerne gesehen und selbstverständlich jederzeit freudig entgegengenommen.
    Die Stadt war ein Ort der Freude, der das Leben und die Lust daran anscheinend atmete. Sämtliche Häuser waren in mühsamer Arbeit weiß getüncht worden, die Dächer mit blutroten Ziegeln allesamt gleich eingedeckt. In der Hauptstadt der Klanlande brodelten das Feuer und die Leidenschaft der Klan von früh bis spät in die Nacht lärmend durch die Straßen. Mindestens einmal in jeder Woche eines Mondes wurde irgendein größeres Fest abgehalten. Die Anlässe hierfür waren schnell gefunden. Ob die Ankunft eines Handelsschiffes, die vermutete Gnade eines Kojos, der Geburtstag eines Fürsten, eine – in letzter Zeit eher selten gewordene – Ansprache des Regenten, die Errichtung eines neuen Gebäudes, die Meldung über die Schwierigkeiten einer um den Preis der schönsten Stadt der Klanlande konkurrierenden Mitbewerberin oder schlicht nur ein schöner

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