Kryson 04 - Das verlorene Volk
»Das ist klug. Wir hätten seinem Vorbild folgen und uns um unsere eigene Sicherheit kümmern sollen, statt auf einen Emporkömmling und dessen Schergen zu hören, die ihren Anspruch auf einer …«
Sie schluckte die ihr auf der Zunge liegende Bemerkung hinunter. Noch waren Jafdabh und Raussa ein mächtiges Regentenpaar, denen einige Fürsten den Rücken stärkten und die sowohl das größte Vermögen als auch den Großteil der Truppen hinter sich wussten. Eine offen ausgesprochene Beleidigungder Regentin konnte sie wegen Hochverrats den Kopf kosten. Bei aller Ablehnung musste sie ihre Worte mit Bedacht wählen.
»Sprecht ruhig aus, was Ihr dachtet, werte Dame«, mischte sich Raussa verärgert ein. »Ihren Anspruch auf das Wohlwollen einer Hure begründen, wolltet Ihr sagen.«
»Dieses Kind habt Ihr so genannt«, antwortete die Fürstin Menohir schnippisch, obwohl ihr die Schamesröte in die Wangen gestiegen war, »aus meinem Mund werdet Ihr so etwas gewiss nicht vernehmen. Ob es der Wahrheit entspricht oder nicht, könnt Ihr selbst am besten beurteilen. Aber wenn ich mich in der Halle so umsehe und in das ein oder andere betroffene Gesicht blicke, dürften wohl einige der anwesenden Herren schon von Eurer Weiblichkeit gekostet haben. Der oberste Praister Thezael hatte Euch wegen Unfähigkeit und der Hurerei abgesetzt, soweit ich mich erinnere. Und dann kehrtet Ihr mit diesem Todeshändler, einem Verräter an unserem Volke, zurück auf den Thron. Ihr habt kein Recht, über uns zu gebieten, und alle, die ihre Ansprüche von Eurer Herkunft ableiten, ebenso wenig. Tomal Alchovi hat seine Position deutlich gemacht. Ihm gebührt die Herrschaft über die Klanlande. Er ist der Stärkste unter uns Fürsten und er ist ein Lesvaraq.«
»Wolltet Ihr lieber den Intrigen des Schattenmannes dienen und der Barbarei frönen? Tomal war noch ein kleines Kind, als Jafdabh die Regentschaft übernahm«, provozierte Drolatol die Fürsten.
»Nein, natürlich nicht. Thezael war ein durchtriebener Mann, der mit eiserner Hand, Folter und Schrecken regierte«, räumte die Fürstin Menohir ein, »aber er war auch ein zutiefst gläubiger Klan, mächtig und nicht dumm. Er hätte dem Fürsten Alchovi den Thron aus freien Stücken zur rechten Zeit angeboten.«
»Dessen wäre ich mir nicht so sicher«, zweifelte Renlasol,»vordergründig vielleicht, aber wahrscheinlich nur, um ihn in seiner Nähe zu wissen und ihn dann bei der ersten Gelegenheit durch einen gemeinen, hinterhältigen Giftanschlag zu beseitigen.«
»Das ist eine bösartige Unterstellung«, empörte sich die Fürstin Menohir. »Wie könnt Ihr es wagen? Die Praister dienen von jeher den Kojos und verbreiten diesen Glauben und die Güte selbstlos an die Klan.«
»Hört, hört!«, spottete Drolatol. »Thezael ist ein Mann der Schatten und als oberster Praister äußerst gefährlich. Ich kenne niemanden, der von seiner Güte zu berichten wüsste.«
Bevor der Streit endgültig eskalieren konnte, erhob sich Jafdabh langsam von seinem Thron. »Tja … nun, hört auf damit!«, befahl er. »Tomal ist nicht hier. In all den Sonnenwenden hat er keinen Versuch unternommen, mich von diesem Ort zu vertreiben. Warum nicht? Ich hätte den Kristallpalast längst freiwillig geräumt, wenn er den Anspruch auf die Regentschaft offiziell geltend gemacht hätte. Glaubt Ihr, ich hätte mein Vermögen freiwillig an Euch undankbares Pack verschwendet, wenn Fürst Alchovi die Verantwortung übernommen hätte? Wo war er, als wir die Hauptstadt und die Ländereien wieder aufbauten, neue Siedlungen gründeten und den Bauern unter die Arme griffen? Tomal Alchovi soll in den Kristallpalast kommen und seine Stimme erheben. Ich werde meiner Wege gehen, sollte er diesen Thron sein Eigen nennen.«
»Ist dies Euer Rücktritt?«, wollte Barduar sofort wissen.
»Nein!«, machte Jafdabh unmissverständlich und mit hochrotem Kopf klar. »Für keinen von Euch Schwächlingen werde ich die Regentschaft aufgeben. Tja … solange dieser Tomal nicht offen den Thron fordert, bestimme ich, was in den Klanlanden geschieht und wie wir diesen Krieg gegen die Rachuren führen.«
»Und wie gedenkt Ihr Euren Krieg erfolgreich zu schlagen?«, fragte Fürst Polakav. »... ohne uns?«
»Tja … das ist allerdings eine gute Frage. Ohne die Unterstützung der Fürsten wird es nicht gehen. Wir müssen einig werden und zusammen gegen die Gefahr stehen. Wir verstärken die Verteidigung entlang der befestigten Sicherungsgebiete,
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