Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
Vom Netzwerk:
meinem Bedauern muss ich Merkmale einer zunehmenden Verweichlichung an dir feststellen. Ich denke, wir sollten dich mit einem kleinen Sprung wieder aufmuntern. Wir könnten in den Ruinen von Gafassa Schutz vor dem aufziehenden Unwetter suchen.«
    »Oh … Gafassa ist eine Totenstadt, mein Prinz. Das scheint mir nicht geheuer. Wenn Ihr mir die Wahl lasst, zöge ich einen Blitzeinschlag und den Regen einem Sturz in das ungewisse Grauen vor.«
    »Du bist und bleibst ein Spaßverderber, Goncha. Wir springen, ob es dir nun passt oder nicht. Ich wollte mich schon seit längerer Zeit in Gafassa umsehen und mit eigenen Augen davon überzeugen, was mit den Tartyk und den Drachen geschehen ist.«
    »Das sehe ich doch schon von hier oben, Herr«, bemerkte Goncha. »Die Drachentürme sind eingestürzt und in den Gassen liegen haufenweise Leichen. Wenn wir den Worten der Felsgeborenen des Südens vertrauen dürfen, dann handelt es sich um ein Volk von untoten Seelenfressern. Eine Bekanntschaft, die ich nicht machen muss. Sie sind mir unheimlich.«
    »Sie sind seit über fünfundzwanzig Sonnenwenden tot. Ich bin neugierig. Nun komm schon, klettere auf meine Schulter und lass uns springen. Ich bringe dich heil in die Stadt und wieder heraus.«
    »Versprochen?«
    »Ehrenwort!«
    Der Wind frischte auf und trieb die dunklen Regenwolken heulend auf Vargnar und Goncha zu. Die ersten Blitze zuckten herab. Ein bedrohliches Donnern und Grummeln folgte. Wenn sich der Prinz und sein Felsenfreund nicht augenblicklich aufmachten, würde das zornige Gewitter sie mit voller Wucht erwischen.
    »Los!«, brüllte Vargnar seinem Freund in Gedanken entgegen.
    Goncha kletterte auf den Prinzen und suchte sich eine Stelle, an der er sich mit seinen kleinen Pfoten festklammern konnte. Der Felsenfreund schloss die Augen. Vargnar stürzte sich mit einem Schrei und weit ausgebreiteten Armen und Beinen in die Tiefe.
    Das Vergnügen war nur von kurzer Dauer. Sie landeten wohlbehalten inmitten der Felsenstadt. Vargnar blickte zurück zu der Stelle, von der aus sie in die Tiefe gesprungen waren.
    »Das ist eigenartig, findest du nicht?«, merkte der Prinz nachdenklich an.
    »Was meint Ihr, Herr?«, fragte Goncha.
    »Sieh dir den Himmel über den Bergen an. Unser Sturzflug dauerte nicht lange. Das Gewitter hat sich so plötzlich verzogen, als wäre es niemals da gewesen.«
    »In der Tat«, grübelte Goncha, der den wolkenlosen Himmel und strahlenden Sonnenschein erst jetzt bemerkte. »Es kommt mir so vor, als wollte uns jemand dazu bringen, in die Stadt zu springen. Das gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Wir sollten zusehen, so schnell wie möglich wieder von hier zu verschwinden.«
    »Hm …« Prinz Vargnar bewegte seinen Kopf hin und her. »Wer oder was könnte ein Interesse daran haben? Und wer wäre in der Lage, das Wetter zu beeinflussen. Du denkst an Magie, nicht wahr? Aber ich habe nichts Verdächtiges gespürt.«
    »Ich auch nicht. Dennoch müssen wir vorsichtig sein.«
    »Schon gut, mach dir keine Sorgen. Wir werden es erfahren, sollte uns jemand absichtlich hierhergetrieben haben.«
    »Genau das macht mir Sorgen, Herr!«
    Vargnar musste erneut lauthals über die Worte seines kleinen Freundes lachen. Dabei kannte er Goncha als durchaus wagemutiges Kerlchen, das ihn in all den Sonnenwenden stets treu auf jedes noch so gefährliche Abenteuer begleitet hatte. Er nahmihm die Äußerungen niemals übel. Denn das war eine seiner wesentlichen Aufgaben als Felsenfreund. Ohne die Warnungen und Ermahnungen zur Vorsicht und Vernunft hätte sich Vargnar vielerorts ungestüm in mancherlei Gefahr gebracht, aus der es vielleicht kein Zurück für ihn gegeben hätte.
    Die Felsgeborenen kannten keine Furcht, umso wichtiger waren die gelegentlichen Einwände der Felsenfreunde, die als Gewissen und Schutz vor unbedachten Handlungen dienten. Daneben war ihr immenses Wissen über Kryson von unschätzbarem Wert. Aber Vargnar wusste auch, dass die Lebensspanne eines Felsenfreundes im Vergleich zu seiner eigenen deutlich begrenzt war. Er würde sich bald von seinem Freund verabschieden müssen, an den er sich so sehr gewöhnt hatte und der ihm mit all seinen Eigenheiten so vertraut geworden war. Wenn er bloß daran dachte, wurde es ihm schwer ums Herz. Er würde seinen kleinen Freund vermissen.
    Goncha hingegen würde sein Wissen beizeiten an einen jungen Felsenfreund weitergeben, der seine Stelle einnehmen musste. Sicher würden Vargnar und der kleine, noch unbekannte

Weitere Kostenlose Bücher