Kryson 04 - Das verlorene Volk
selbst. Lediglich die Fürsten Alchovi und Otevour ließen weiterhin auf sich warten, was den erschreckenden Nachrichten zufolge verständlich war. Immerhin grenzte Otevour unmittelbar und über die weiteste Strecke an das Gebiet der Rachuren. Es lag also nahe, dass sie bei einem Übergriff am stärksten betroffen sein würden.
In der unmittelbar nach der Ankunft der Fürsten einberufenen Versammlung berichtete Ayadaz im Namen seines Onkels, dass das Haus Otevour entlang der Grenze zu den Rachuren in heftige Kämpfen eingebunden sei und dringend Unterstützung brauche. Es ging bereits seit Wochen das Gerücht, dass der Fürst mitsamt seinen fünf Söhnen in einer Schlacht um das äußere Vulkangebiet Tartatuk gefallen sei. Andere erzählten davon, der Fürst und die tapferen Söhne des Hauses Otevour hätten ihre Seele an Nalkaar verloren und verstärkten nun fortan dessen inzwischen gigantischen Chor von Todsängern mit ihren Stimmen.
Doch auch die anderen Fürsten, allen voran Barduar und Polakav, deren Ländereien ebenfalls benachbart zu den Rachuren lagen, forderten den Regenten auf, ihnen in der Verteidigung ihrer Grenzen und Häuser beizustehen. Immerhin konnten sie auf eigene Erfahrungen zurückgreifen und Licht ins Dunkel bringen.
Während sie nur über kleinere Angriffe und Scharmützelmit den Rachuren berichten konnten, die überwiegend aus bis zu den Zähnen bewaffneten, starken Chimären gestellt wurden, konzentrierte sich die Hauptstreitmacht des Feindes wohl auf den Vormarsch in das Fürstentum Otevour. Dort griffen die Gegner mit allem an, was sie hatten. Rachurendrachen, Todsänger und die schlagkräftigen Krieger unter der Führung des entfesselten Grimmgour. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie das Fürstentum erobert und unterjocht haben würden, bevor sie Richtung Habladaz weitermarschierten und von dort aus die ehemaligen Fallwas-Gebiete und die Hauptstadt selbst in Angriff nehmen würden. Dieses Mal würden sie sich nicht mit Nebenschauplätzen begnügen, sondern direkt in das Herz der Klanlande vorstoßen. Dies stand für alle versammelten Fürstenhäuser fest.
»Otevour ist verloren«, krächzte der halb blinde und völlig taube Fürst Habladaz laut aus einem zahnlosen Mund. »Die Truppen des Fürsten wurden im Kampf um Tartatuk vernichtend geschlagen. Wir müssen die versprengten Krieger Otevours sammeln und die Leibgarde des Regenten umgehend nach Habladaz verlegen.«
»Hört auf die Worte meines Onkels«, ergänzte Ayadaz. »Die einzige Möglichkeit, gegen die Rachuren zu bestehen, liegt darin, unsere Kräfte zu bündeln und sofort zurückzuschlagen, bevor sie noch weiter vordringen. Mit einer solchen Antwort rechnen die Rachuren nicht. Lasst uns die Überraschung nutzen.«
»Das wäre Selbstmord. Es würde Monde dauern, bis wir die Gardekrieger aus den südlichen Verteidigungsstellungen gen Westen verlegt haben«, gab Drolatol zu bedenken.
»Nach allem, was Ihr Fürsten berichtet habt, sind wir bei Weitem noch nicht stark genug, um einen Gegenangriff zu wagen. Die Rachuren würden uns im offenen Kampf auf dem Felde aufreiben und wir hätten nichts gewonnen«, erwiderteRenlasol. »Wir müssen die ausgebauten Stellungen um Tut-El-Baya halten und die Einberufung sowie die Ausbildung weiterer Krieger schneller vorantreiben. Erst dann dürfen wir uns dem Feind entgegenwerfen.«
»Das würde Euch gefallen, nicht wahr?«, beschwerte sich Fürst Barduar. »Die alteingesessenen noblen Fürstenhäuser werden geopfert, damit Ihr und Drolatol Eure von Fallwas geraubten Pfründe retten könnt.«
»Wir stehen alle auf einer Seite. Es geht um unser Land und nicht um den Fortbestand eines einzelnen Fürstenhauses«, erwiderte Drolatol.
»Und was ist mit Alchovi? Ich sehe ihn nicht. Wird er sich mit den Eiskriegern hinter seinen Bergen verstecken oder uns im Kampf beistehen?«, wollte Fürst Polakav wissen.
In der Tat hatten sie vergeblich auf eine Nachricht aus Eisbergen gewartet. Tomal hatte sich lieber in Schweigen gehüllt, als den anderen Fürstenhäusern seine Absichten zu offenbaren. Mit diesem Verhalten hatte er Gerüchte angeheizt, er wolle die Gelegenheit der Schwäche nutzen und die Macht in den Klanlanden durch einen gewaltsamen Sturz Jafdabhs an sich reißen. Die Vorstellung fand unter einigen Fürstenhäusern durchaus Anklang.
»Tomal Alchovi ignoriert den Ruf des Regenten«, behauptete die Fürstin des Hauses Menohir, dessen Ländereien an diejenigen der Alchovi grenzten.
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