Kryson 05 - Das Buch der Macht
Wir müssen von hier weg. Schnell!«
»Vergiss es, Kallya«, Tomal strich sich eine Locke aus der Stirn und lachte ein schrilles Lachen, »du wirst hinter Gittern bleiben, während ich mich schleunigst auf den Weg mache, den übrigen Streitern zu folgen.«
»Das würde dir gefallen!«, rief Kallya widerspenstig.
Plötzlich schien Kallya in einem gleißenden Licht zu explodieren. Tomal hatte seine Augen nicht rechtzeitig geschützt. Für einen Moment war er geblendet. Aber er hatte einen sich bewegenden Schatten wahrgenommen und wusste, dass sie aus dem Käfig entkommen war. Als sich sein Blick wieder klärte,war der Käfig verschwunden. Entgegen seinen Befürchtungen hatte Kallya sich ihm nicht weiter genähert, sondern sich sogar noch einige Fuß weit entfernt, indem sie auf eine kleine Anhöhe am Fuße des bebenden Tartatuk geklettert war und nun auf den Lesvaraq herabblickte. Ihr Gesicht drückte Erstaunen aus.
»Das Gestein fühlt sich heiß unter meinen Füßen an. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Berg platzt und Feuer spuckt. Du hast ihn gereizt und zornig gemacht. Aber komm herauf und sieh selbst, was du durch deine Unbeherrschtheit geschaffen hast!«
Tomal vermied es, Kallya anzusehen, und er würde es tunlichst vermeiden, sich ihr freiwillig zu nähern. Er brauchte nicht auf die Anhöhe zu klettern, um das Ausmaß seines Tuns zu erkennen. Der Lesvaraq wusste, was er angerichtet hatte. Die Erde unter seinen Füßen bebte noch immer und brüllte vor Schmerzen. Der gewaltige Riss zog sich – so weit das Auge reichte – viele Fußbreit durch den Kontinent Ell.
Wer nicht fliegen konnte oder magisch begabt war, würde Brücken bauen müssen, wollte er sicheren Fußes von der einen Seite zur anderen gelangen. Für einen Sprung war der Abgrund zu breit. Es mochte Orte auf Ell geben, an denen nur ein schmaler Spalt entstanden war. Aber das konnte Tomal nicht wissen. Am Fuße des Tartatuk war die entstandene Lücke erschreckend breit und tief und hatte den Vulkan auf den Plan gerufen.
Der Lesvaraq musste Kallya loswerden.
»Nutze die Ablenkung durch die Verwüstung «, flüsterte eine Stimme in seinem Inneren.
Tomal griff sofort an. Die Nacht umhüllte ihn. In seinen Augen spiegelte sich ihr dunkler Glanz wider. Er fühlte sich geborgen und stark hinter ihrem Schutzmantel. Auf seinen Handflächen bildete sich eine zähe, ölige Flüssigkeit, die eraus seinen Poren schwitzte. Sie hatte die Farbe seines Blutes und dampfte.
Ruckartig riss Tomal seine Hände empor und schleuderte Kallya die Flüssigkeit in tausend Tropfen entgegen.
Kallya schrie schmerzerfüllt auf, als die ersten Tropfen zischend ihre Haut trafen. Sie hinterließen tiefe, hässliche Brandwunden. Manche drangen über die Poren in die Haut ein. An diesen Stellen wölbte sich das Fleisch in Windeseile. Schwellungen entstanden, verformten sich und pflanzten sich wie Geschwüre fort. Schließlich brachen sie auf und eine stinkende, eitrige Flüssigkeit kam zum Vorschein. Bald war ihr ganzer Körper mit den Geschwüren überzogen. Haare und Nägel fielen ihr aus. Ihre strahlende Schönheit war dahin. Beinahe bedauerte der Lesvaraq seinen Angriff. Tomal hatte Kallya mit einer schrecklichen Krankheit geschlagen.
Kallya zitterte am ganzen Leib, fiel keuchend auf die Knie und übergab sich heftig einige Male hintereinander, bis sie nichts mehr hervorbrachte und nur noch röchelnd würgte.
»Was hast du getan? Hilf mir«, ihre flehende Stimme klang schwach, »bitte! Ich bin deine Bestimmung.«
»Kannst du dich etwa nicht aus eigener Kraft von der Krankheit befreien?«, Tomal klang spöttisch. »Ist dein Körper zu schwach, der Dunkelheit meines Blutes zu widerstehen? Oh, das tut mir aber leid für dich. Es gibt kein Heilmittel dagegen. Solltest du sie nicht mit deinen magischen Fähigkeiten besiegen können, wirst du sterben, noch bevor Tartatuk seine ersten feurigen Gesteinsbrocken ausspuckt.«
Kallya atmete schwer und biss die Zähne zusammen, die ihr allerdings – einer nach dem anderen – dabei herausfielen. Blutige Tränen liefen ihr über die Wangen.
Tomal bog sich vor Lachen. Ein grausames Lachen seines Triumphes. Der Lesvaraq verhöhnte seine Widersacherin.
»Tomal … du darfst nicht … nicht so …«, krächzte Kallya.
Sie konnte ihren Oberkörper kaum aufrecht halten. Ihre strahlende Erscheinung schwand, lediglich in ihren Augen waren das Licht und der Wille, einen Ausweg aus der hoffnungslosen Lage zu finden, noch zu
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