Kryson 05 - Das Buch der Macht
ansehen, zu dessen Schutz sie von ihm berufen sind.«
»Das Buch gehörte Ulljan nicht«, antwortete Solras schlicht, »er hat es den Völkern der Altvorderen gestohlen. Wie kann Diebesgut zum Vermächtnis Ulljans gehören? Das wäre unrecht.«
»Ich stimme Euch zu, obwohl die Orna und Sonnenreiter das gewiss anders sehen. Vielleicht wollte der Lesvaraq Kryson vor der Macht des Buches beschützen. Es heißt, das Buch richte in den falschen Händen viel Unheil an und entfalte eine zerstörerische Kraft, die das Gleichgewicht und alles Leben auf Kryson gefährdet.«
»Das ist richtig«, sagte Solras, »aus diesem Grund gehört es in die Obhut der Altvorderen. Weder ein Lesvaraq noch ein Angehöriger eines anderen Volkes wäre in der Lage, der Versuchung zu widerstehen.«
»Aber Ulljan …«
»O nein«, unterbrach Solras den Magier, »Ulljan hat das Buch sehr wohl für seine Zwecke missbraucht, bis ihn die plötzliche Machtfülle selbst so sehr erschreckte, dass er sich dazu entschloss, das Buch vor seinen Gegnern und letztlich vor allen Bewohnern Krysons in Sicherheit zu bringen. Darum rief er die Wächter und schuf einen Mythos um das Buch. Einschließlich der Prophezeiung, die Euch wohlbekannt ist!«
»Was hat er getan?«, fragte Sapius überrascht.
»Ulljan unterbrach den Zyklus der Lesvaraq und tötete Pavijur. Er führte das Volk der Nno-bei-Maya in die Schatten und entriss ihnen das Buch und die Gabe der Kojos. Außerdem knechtete der Lesvaraq den Herrn der Grube und schuf ein Gefängnis für den Gedankenschinder. Das Buch der Macht half ihm dabei.«
Sapius lehnte sich zurück, nahm die Hände hinter den Kopf und schloss die Augen. Der Magier musste seine Gedanken ordnen. Er hatte so vieles über das Buch der Macht gehört. Gutes wie Schlechtes. Meistens jedoch war er vor dem Buchgewarnt worden. Kaum jemand hatte das Buch selbst in den Händen gehalten, und doch wussten anscheinend alle, dass es gefährlich war. Vielleicht lag dies in Ulljans Absicht, um allzu neugierige Sucher von dem Buch abzuhalten.
»Was wisst Ihr über das Buch, Metaha?«, wollte der Magier wissen. »Ähm … entschuldigt, ich meinte Solras.«
Solras lachte und erklärte Sapius, dass er nicht der Einzige war, der sie zuweilen mit der Naiki-Hexe verwechselte.
»Ist das Buch wirklich so mächtig, wie behauptet wird?«, hakte Sapius nach.
»O ja, das ist es«, bestätigte Solras.
»Aber … was ist sein Geheimnis?«
»Ich habe das Buch vor langer, langer Zeit einmal gesehen. Die Altvorderen tauschten das Buch der Macht von Zeit zu Zeit untereinander aus. Als die Naiki an der Reihe waren, legten es die Wächter in meine Hände. Ich zitterte am ganzen Leib, als ich es entgegennahm. Allerdings schlug ich es niemals auf«, erinnerte sich Solras an Metahas verborgene Erlebnisse, »das Buch trägt einen Namen, der in der alten Sprache Zerstörung bedeutet. Ihr könnt den Namen aber auch mit Veränderung oder Anfang übersetzen. Die Bedeutung des Namens lässt unterschiedliche Auslegungen zu. Ein magisch Begabter darf diesen Namen niemals aussprechen. Er würde die verheerende Kraft des Buches entfesseln. Es heißt aber auch, der Besitzer könne damit die Zeit beeinflussen. Das Buch schreibt die Geschichte Krysons fort. Die Zukunft bleibt jedoch immer im Nebel. Wer die Vergangenheit verändert, um sein eigenes Schicksal zu bestimmen, trägt eine große Verantwortung. Nicht nur für sich alleine. Das Buch gewährt dem Besitzer eine einzige Gelegenheit, die Vergangenheit zu korrigieren. Jeder Federstrich will daher wohlüberlegt sein. Danach schreibt es sich selbst neu. Nur die Wächter des Buches besitzen die Fähigkeit dann noch einmal einzugreifen und Fehler rückgängigzu machen. Ich kenne allerdings nur einen Wächter, der diese Kunst beherrscht: Tarratar. Er kennt die Geschicke Krysons wie kein anderer.«
»Wenn das wirklich wahr wäre, dann sollte das Buch besser niemals gefunden werden«, meinte Sapius.
»Ich stimme Euch zu«, seufzte Solras, »Ulljan dachte wohl ebenso, sonst hätte er es nicht verborgen. Aber das Buch der Macht ist ein Werkzeug des Gleichgewichts mit einem Eigenleben und einem Willen. Wenn es gefunden werden will, setzt es alles daran, dass dies geschieht. Die Wächter des Buches wissen das und folgen seinen Wünschen.«
»Wer hat das Buch erschaffen?«, wollte Sapius wissen.
»Das weiß niemand genau«, zuckte Solras ratlos mit den Schultern, »es muss so alt sein wie Kryson selbst, denn angeblich könnt Ihr
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