Kryson 05 - Das Buch der Macht
dem Vorhof des Ordenshauses ein alter Bekannter.
»Tarratar!«, begrüßte Tomal den Narren, »Euch hätte ich hier am allerwenigsten erwartet.«
»Hoi, hoi, hoi. Der Lesvaraq!«, sagte Tarratar und klingelte munter mit den Glöckchen seiner Kappe, indem er seinen Kopf hin und her bewegte, »Ihr seid überrascht, mich zu treffen? Nun, das erstaunt mich. Ich dachte, Ihr würdet das Buch der Macht suchen. Da solltet Ihr Euch nicht wundern, den ersten Wächter zu treffen. Ihr kommt gerade zur rechten Zeit. Ich traf auch erst vor wenigen Horas im Ordenshaus ein. Wo sind die übrigen Streiter?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Tomal missmutig, »ich habe sie verpasst und kam zu spät zur Zusammenkunft. Das habe ich Euch und Saykara zu verdanken.«
»Ts, ts, ts«, wedelte Tarratar abwehrend mit dem Zeigefinger, »gebt nicht anderen die Schuld an Euren Verfehlungen. Ihr habt Euch aus freien Stücken entschieden, nach Kartak zu kommen und die Prüfungen anzutreten. Ihr wart erfolgreich und kehrtet mit den Maya aus den Schatten zurück. Was wollt Ihr mehr? Und was unsere schöne Königin angeht … ich denke, Ihr hattet Euren Spaß. Sie ist doch recht erfahren in solchen Dingen.«
»Allerdings …«, antwortete der Lesvaraq, »… aber auch sehr fordernd.«
»So ist das mit den Frauen«, grinste Tarratar, »sie sind klug und schön, schmeicheln uns, sind uns zu Gefallen, wickeln uns um den Finger und schon sitzen wir in der Falle. Aber das ist doch gerade das Schöne und Spannende daran, findet Ihr nicht?«
»Ach Tarratar«, seufzte der Lesvaraq, »Ihr seid eigenartig und ich verstehe Euch zuweilen einfach nicht.«
»Das macht nichts«, setzte Tarratar sein unschuldigstes Lächeln auf, »ich bin ein Narr und rede, wie mir die Gedanken gerade durch den Kopf gehen. Macht Euch nichts daraus.«
Der Narr sah den Lesvaraq plötzlich eindringlich an, hüpfte einmal um ihn herum und betrachtete ihn von oben bis unten. Danach blickte Tarratar Tomal tief in die Augen.
»Hoi, hoi, hoi …«, rief der Narr aus, »… was müssen meine entzündeten Augen erblicken? Hatte ich Euch nicht gewarnt? Soweit ich mich erinnere, trugt Ihr das Zeichen der Macht einst zweimal an Euch. Aber eines davon scheint nun verblasst. Was ist geschehen? Habt Ihr Euch etwa doch entschieden, eine der beiden Seiten des Gleichgewichts zu verlieren, statt Euch mit dem Ausgleich der Kräfte abzufinden?«
»Ich habe meinen Vater getötet«, sagte der Lesvaraq leise.
»Ihr seid verrückt«, empörte sich Tarratar schreiend. »Oh, und Madhrab hat eine Seite in Euch getötet! O Tomal, das ist eine Katastrophe. Ihr habt den Zyklus der Lesvaraq gewaltsam beendet. Ihr habt gegen das Gesetzt des Gleichgewichts verstoßen. Wie ich sehe, hat Euer Vater nicht die Seite ausgelöscht, die Euch lästig schien. Sondern die Dunkelheit ist verschwunden. Ihr tragt nur noch das Licht in Euch. Wie stellt Ihr Euch den Ausgleich zwischen den Kräften vor? Es gibt keinen Lesvaraq der Nacht mehr. Ihr habt die magischen Brüder stark gemacht. Ist Euch das klar?«
Verständnislos schüttelte der Narr den Kopf und murmelte:
»Ich kann Euch in dieser Sache nicht helfen. Nein, ich kann und ich will es nicht. Ihr habt das Gleichgewicht in große Gefahr gebracht. Seht zu, dass Ihr den Schaden behebt, bevor Ihr vollends den Verstand verliert.«
»Was soll ich tun?«, fragte Tomal, der völlig hilflos wirkte.
»Bittet Eure Mutter, Euch auch die Macht des Lichts zu nehmen. Elischa ist dazu in der Lage. Dann könnt Ihr bar jeder magischen Begabung ein normales Leben führen. Das würde Euch zumindest vor dem Wahnsinn bewahren. Aber Ihr würdet bis zu Eurem Ende machtlos sein«, riet Tarratar.
»Das … nein … das will ich nicht«, lehnte Tomal den Vorschlagvehement ab, »auf keinen Fall. Niemals! Was ist mit dem Buch der Macht? Ich vertraue darauf, dass wir es finden werden. Es könnte alle meine Schwierigkeiten lösen.«
»Hütet Euch, auch bloß daran zu denken«, warnte Tarratar den Lesvaraq, »die Streiter werden das Buch finden. Das steht für mich außer Frage, denn das ist der Grund, warum ich hier bin. Aber Ihr dürft das Buch niemals für Eure Zwecke missbrauchen, schon gar nicht, wenn es um eine solch wichtige Angelegenheit geht. Ihr habt alle Warnungen ignoriert und einen Fehler gemacht. Dazu müsst Ihr stehen. Selbst wenn Ihr mit dem Buch der Macht in der Lage wärt, Euer Versagen umzukehren, könnt Ihr die Folgen Eures Handelns nicht kennen. Ihr dürft so etwas
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