Kryson 05 - Das Buch der Macht
hatte nicht erwartet, den Gedankenschinder zu Gesicht zu bekommen. Noch viel weniger hatte er erwartet, dass der Herr der Grube zu den Wächtern des Buches gehören könnte. Vargnar schien den Gedankenschinder zu kennen. Seiner Haltung und dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er aber nicht sonderlich viel von diesem Verwandten zu halten.
»Lasst uns mit den Prüfungen beginnen«, schlug Tarratar vor, »wir haben auf der Suche ohnehin schon sehr viel Zeit verloren, die wr dem Herrn der Grube wieder abringen wollen. Nicht wahr?«
Tarratar blickte den Herrn der Grube mit einem eindringlichen Seitenblick streng an.
»Schon gut«, antwortete der Herr der Grube, »verlaufen die Prüfungen in unserem Sinne, werde ich die verlorene Zeit aus freien Stücken an die Streiter zurückgeben.«
»Da seht Ihr es«, freute sich Tarratar, »der Herr der Grube erweist sich als großzügig.«
Die Streiter waren gespannt, was Tarratar und die Wächter des Buches für sie vorbereitet hatten.
»Wir werden jeden von Euch einzeln prüfen«, erklärte Tarratar die Regeln, »Verweigerung oder Versagen bedeutet Euer Ende. Während der Prüfung wird es zu Ereignissen kommen, die Euch eigenartig erscheinen mögen und die Euer Leben beeinflussen. Lasst Euch davon nicht von Eurem ursprünglichen Weg abbringen. Der Ausgang dieser Prüfung ist offenund steht nicht im Buch der Macht geschrieben. Wir wissen also nicht, was uns erwartet und wer am Ende das Buch für sich beanspruchen darf. Wir beginnen mit dem ersten Streiter. Tomal?«
Tarratar legte das Buch zurück in die Kiste und richtete seinen Blick auf den Lesvaraq. Sapius bemerkte, dass Tomal leicht zusammenzuckte, als er seinen Namen aus dem Mund des Narren hörte. Der Lesvaraq trat vor und stellte sich den Wächtern des Buches. Ein Durchgang öffnete sich in der Grubenwand. Die Wächter forderten Tomal auf, sie durch die Öffnung zu begleiten. Die übrigen Streiter blieben zurück, während Tomal den Wächtern und dem Buch der Macht folgte.
Der Lesvaraq hatte sich vor den anderen Streitern zurückgehalten. Doch als er und die Wächter in einem anderen Bereich der Grube angekommen waren, brach seine Verärgerung offen aus ihm hervor.
»Was soll das Spiel, Tarratar?«, fragte Tomal den Narren. »Ihr und Daleima habt mich bereits zuvor geprüft. Ihr wisst, dass ich würdig und fähig bin, das Buch zu besitzen. Also, überlasst mir das Buch einfach und wir beenden die Narretei in der Grube.«
»So einfach ist das nicht«, erwiderte Tarratar, »das Buch der Macht stellt seine eigenen Gesetze auf, an die wir alle gebunden sind. Wir können Euch das Buch nicht gegen seinen Willen geben. Außerdem habe ich ernsthafte Zweifel daran, ob Ihr Euch tatsächlich als geeignet erweisen werdet, mit dem Buch umzugehen.«
»Wie könnt Ihr es wagen, einen Lesvaraq in Zweifel zu ziehen?«, donnerte Tomal los.
»Tomal!«, der Narr sah den Lesvaraq strafenden Blickes an. »Seid Ihr denn wirklich so sehr von Euch eingenommen?Eure Überheblichkeit wird Euch in der Grube und gegen die Wächter des Buches nichts nutzen. Wollt Ihr die Prüfung nun ablegen oder nicht?«
In Tomal kochte die Wut. Er funkelte den Narren zornig an und hätte ihn am liebsten vor den Augen der anderen Wächter zertrampelt. Aber er nahm sich zusammen und schluckte seinen Ärger hinunter.
»Was verlangt Ihr von mir?«, fragte er schließlich.
»Beantwortet uns nur eine einzige Frage«, sagte Tarratar.
»Und wie lautet die Frage?«, seufzte Tomal genervt.
»Betrachtet Euer bisheriges Leben, Tomal. Stellt Euch vor, Ihr könntet die Vergangenheit verändern. Was würdet Ihr tun?«, wollte Tarratar von dem Lesvaraq wissen.
»Abgesehen davon, dass ich mir wünschte, Euch niemals zuvor begegnet zu sein und Euch lieber tot zu sehen?«, dachte Tomal laut nach.
»Entweder ein sehr dummer oder aber ein interessanter und womöglich sogar kluger Gedanke, wenn er Euch auch nicht ans Ziel führen wird«, bemerkte Tarratar süffisant. »Ich schlage vor, wir werten das als einen ersten Versuch, Euch an die Bedingungen der Prüfung zu gewöhnen.«
Der Lesvaraq dachte darüber nach, was der Narr wohl von ihm wollte.
»Kann ich einen Fehler machen?«, fragte er sich.
Tomal hatte sich keine Gedanken gemacht, was er ändern würde, wenn er sein Leben noch einmal von Anfang an führen müsste. Die Gelegenheit hatte sich ihm bislang nicht geboten, aber ihm war sofort klar, was er zutiefst bereute. Der Verlust der dunklen Seite schmerzte
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