Kryson 05 - Das Buch der Macht
sieht elend aus. Wir sollten ihn erlösen«, schlug die Metallstimme plötzlich vor. »Schlagen wir ihm den Kopf ab und schneiden ihm zur Sicherheit das Herz heraus.«
»Nein«, widersprach der große Räuber, »der Magier darf nicht getötet werden. Noch nicht. Stirbt er, dann nur durch den Willen des Gleichgewichts. Hast du die Worte unseres Herren etwa vergessen?«
»Wie könnte ich«, antwortete der andere Räuber, »er war sehr überzeugend.«
»Hört auf euch zu streiten. Wir überlassen den Magier seinem Schicksal«, sagte die Frau. »Wenn er Glück hat, kann er sich aus seiner Lage befreien, wenn nicht, wird er hier an Ort und Stelle früher oder später sterben. Entweder er verdurstet oder die Aasfresser kümmern sich um ihn.«
Bevor die Räuber Sapius zurückließen, setzten sie ihn in eine aufrechte Position, damit er dem Feuer zusehen konnte, das seine Kleidung verzehrte.
Drei Tage und Nächte saß Sapius regungslos vor der Asche seiner verbrannten Habe. Er war am Verdursten und Verhungern, bevor das lähmende Gift endlich nachließ und er seine Beine und Arme wieder spürte und wenigstens auf allenvieren kriechen konnte. Er wollte sich Wasser, Nahrung und Kleidung beschaffen. Bis auf das mit seinem eigenen Blut getränkte Wollhemd war er nackt. Aber er wusste nicht, ob er es aus eigener Kraft überhaupt noch weit genug schaffen konnte.
Während Sapius nur mühsam vorwärts kam und ihn die Anstrengung immer wieder zu längerer Rast zwang, fiel plötzlich ein Schatten auf ihn. Der Magier hielt inne, als vor seinen Augen ein Paar steinerner Stiefel auftauchte.
»Was ist geschehen? Ihr kriecht wie ein Wurm auf dem Boden, Magier«, donnerte eine bekannte Stimme.
Sapius blickte überrascht auf, denn die Stimme gehörte Vargnar. Der Magier fragte sich, ob der Felsenprinz den Raub vor einigen Tagen mit angesehen hatte. Aber warum war er dann nicht eingeschritten? Hatte er ihn beobachtet und drei Tage lang in seinem Elend sitzen lassen?
»Habt Ihr etwas Wichtiges verloren? Sind Eure Augen so schlecht, dass Ihr schon auf dem Boden kriechen müsst, es wiederzufinden?«, fragte Vargnar verdutzt.
»Wasser …«, krächzte Sapius aus seiner vertrockneten Kehle, »bitte … Wasser.«
»Ihr habt Glück, dass ich mich mit Vorräten eingedeckt habe, die tatsächlich für Euch gedacht sind. Ich hatte schon befürchtet, Euch in einem noch schlechteren Zustand vorzufinden.«
Vargnar hatte einen prall gefüllten Wasserschlauch bei sich, den er Sapius reichte. Aber der Magier war kaum in der Lage, den Schlauch selbst zu halten. Vargnar kniete sich zu ihm nieder, stützte seinen Kopf und gab ihm zu trinken. Sapius trank gierig und verschluckte sich prompt.
»Nicht so hastig«, riet Vargnar, »es ist genug Wasser da. Trinkt langsam, Schluck für Schluck. Euer Körper ist nicht mehr daran gewöhnt.«
Während ihm Vargnar gleichmäßig auf den Rücken klopfte, ließ der Hustenanfall nach und Sapius beruhigte sich wieder. Schließlich setzte er mit einem Seufzer der Erleichterung den Wasserschlauch ab.
»Ihr müsst mir unbedingt erzählen, was geschehen ist«, hakte Vargnar nach, nachdem er den Eindruck hatte, dass der Durst des Magiers vorerst gestillt war und er wieder sprechen konnte, »bereitet es Euch Freude, auf dem Boden zu kriechen?«
»Gewiss nicht, Vargnar. Ich wurde überfallen, vergiftet und gelähmt. Und in der Tat habe ich etwas verloren, das nicht verloren gehen darf. Habt Ihr mich verfolgt?«, wollte Sapius wissen.
»Tut mir leid. Seit Ihr das Haus des hohen Vaters in aller Eile velassen habt, folge ich Eurer Spur, ja«, räumte Vargnar ein, »Ihr könnt einen Felsgeborenen nicht täuschen. Nicht auf solch plumpe Art. Dennoch, das muss ich neidlos anerkennen, seid Ihr schnell und hättet mich beinahe abgehängt. Ich hatte Euch schon aus den Augen verloren. Aber die Steine verraten mir viel und sie erzählten, dass Ihr Euch in Not befindet. Deswegen habe ich Vorräte besorgt und mich beeilt, Euch in der Weite der Grassteppen ausfindig zu machen. Ich hatte schon befürchtet, zu spät zu Eurer Rettung zu kommen. Aber nun habe ich Euch zum Glück gefunden.«
Sapius berichtete Vargnar von seiner Unterredung mit Renlasol und dem Überfall, wobei er den Verlust des Buches vorerst nicht erwähnte.
»Eigentlich geschieht Euch das ganz recht, Sapius«, schalt der Felsgeborene den Magier, »im Haus des hohen Vaters habt Ihr uns alle getäuscht. Euer Schicksal sollte Euch eine Lehre sein, Freunde nicht zu
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