Kryson 05 - Das Buch der Macht
antwortete der Rachure trotzig, »seht doch selbst nach, Zuchtmeister. Euch duldet er. Es ist immer dasselbe mit diesem elenden Mistvieh. Ich werde keinen Fuß mehr in seine Höhle setzen. Wir müssen ihn füttern, obwohl er uns nicht lässt. Warum übernehmen die Zuchtmeister nicht diese gefährliche Aufgabe? Oder noch besser: Warum lassen wir das Biest nicht einfach verhungern? Seine Brut ist nicht besser als der Drache selbst, nur viel kleiner. Der Drache tobt wie wild. Verschlingt einen nach dem anderen von uns Wächtern, als würden wir ihm nicht genug zu fressen geben. Dabei bekommt er das beste Futter in den Brutstätten. Und wenn er endlich satt ist, verbrennt er uns trotzdem zu einem Haufen Asche. Er will uns töten. Es bereitet ihm offenbar Freude.«
»Habt ihr ihn gereizt? Vielleicht geschlagen?«, hakte Zanmour nach, ohne auf die Bemerkungen des Wärters näher einzugehen, »das solltet ihr nicht. Der Drache ist reizbar.«
»Haltet Ihr uns für verrückt, Zuchtmeister? Ihr wisst doch genau, dass er keinen besonderen Anlass braucht, uns zu zerfleischen. Diesen Drachen schlägt bestimmt keiner von uns, obwohl er Schlimmeres als Peitschenhiebe verdient hätte.Wenn wir es dürften, ja dann würden wir ihn töten. Aber dafür müssten wir seine Höhle betreten. Wir sind froh, wenn wir nicht in seine Nähe müssen. Wir werden weniger und die verbliebenen Wärter müssen die Arbeit der getöteten Wärter mitmachen. Das ist die Schuld des Drachen. Das wird böse enden.«
»Schon gut«, sagte Zanmour, »ich kümmere mich selbst darum.«
»Das wissen wir zu schätzen, Zuchtmeister«, freute sich der Wärter, »ich richte den anderen aus, dass Ihr zu dem Drachen geht. Sie, ich meine, wir alle sind Euch dankbar. Solltet Ihr uns einmal brauchen, wisst Ihr, wo Ihr uns findet.«
Dank seiner besonderen Beziehung zu Haffak Gas Vadar und dessen Brut war Zanmour vor wenigen Wochen vom Wärter zum Zuchtmeister aufgestiegen. Für ihn war die Berufung überraschend gekommen. Er hatte zwar immer davon geträumt, eines Tages befördert zu werden, aber wirklich daran geglaubt hatte er nicht. Aber ihm wurde gesagt, Nalkaar habe ihn vor seinem Auszug mit dem Heer zur Beförderung empfohlen. Manche in den Brutstätten munkelten, der Todsänger habe sogar ausdrücklich darauf bestanden. Aber was genau Nalkaar getan oder gesagt hatte, war nicht wichtig. Entscheidend war nur, dass Zanmour Zuchtmeister geworden war und dass der Todsänger dabei seine Finger im Spiel hatte.
Ayomaar persönlich hatte Zanmour schließlich im Beisein der Herrscherin die Zeichen der Zuchtmeister mit glühenden Eisen in die Oberarme gebrannt und ihm die eiserne Kette mit den Schlüsseln für die inneren Brutkammern um den Hals gehängt. Eine große Ehre für einen Rachuren, der aufgrund seiner niederen Herkunft den größten Teil seines Lebens als einfacher Wärter in den Brutstätten geschuftet hatte. Die Zuchtmeister kamen für gewöhnlich aus höhergestellten Familien, die Rajurus Hofstaat nahestanden. Ihre Aufgaben inden Brutstätten waren heikel, verantwortungsvoll und überaus wichtig für die Rachuren.
Zanmours Eltern hingegen hatten nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die Grausamkeit Rajurus ablehnten. Die Arbeit in den Brutstätten verachteten sie als Frevel gegen die Kojos.
Die Herrscherin duldete jedoch keinen Widerspruch in ihrer Stadt Krawahta, weshalb die Eltern als Arbeiter in die Minen verbannt wurden und fortan unter Raymours Aufsicht dienen mussten.
Raymour war der Herrscher über die Minen von Grathar. Viele Gerüchte über ihn kursierten in den Brutstätten, gute wie schlechte. Es wurde gesagt, er sei aufbrausend und brutal wie Grimmgour. Andere behaupteten, Raymour sei zwar ein überaus starker, aber auch vernunftbegabter und gerechter Mann, auch wenn seine Beinamen Felsenfresser und Zermalmer genau das Gegenteil nahelegten. Wieder andere meinten, er sei verrückt und schrecke nicht einmal davor zurück, andere Rachuren zu töten und ihr Fleisch zu verspeisen. Zanmour wusste nicht, was davon stimmte. Fest stand, der Herrscher von Grathar war selbst unter den hartgesottensten Zuchtmeistern gefürchtet. Zanmour hatte seine Eltern seit ihrer Verbannung nie wieder gesehen und wusste nicht einmal, ob sie noch lebten oder Raymour sie getötet hatte.
Seine Beförderung war nicht bei allen Wärtern und Zuchtmeistern auf Zustimmung gestoßen. Zanmours sanfte Methoden im Umgang mit den Sklaven und den Kreaturen stießen bei den
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