Kryson 05 - Das Buch der Macht
jüngste Eroberung anzusehen. Nur wenige Verteidiger hatten überlebt. Sie alle waren verletzt. Die Rachuren hatten sie in einem eisernen Käfig zusammengepfercht, den sie im inneren Burghof aufgestellt hatten.
»Das war ein Meisterstück, Nalkaar«, lobte Thezael den Todsänger, »Eure Pläne gingen voll und ganz auf. Und Ihr habt die Drachenchimären nicht gebraucht. Ihr könnt stolz auf Eure Eroberung sein. Ein herber Verlust für die Nno-bei-Klan.«
»Die Eroberung der Trutzburg war wichtig. Wir haben eine erhebliche Zahl an Kriegern beim Kampf um die Burg verloren. Die Klan wissen sich zu wehren. Das war erst der Anfang.«
»Die Entscheidung«, korrigierte ihn Thezael.
»Warten wir den weiteren Verlauf unseres Feldzugs ab«, antwortete Nalkaar.
Auf ihrem Rundgang erreichten sie den Käfig, in dem die Überlebenden Klan kauerten. Nalkaar zählte acht Männer und vier Frauen.
»Ich wundere mich, dass es nach diesem Kampf Überlebende gibt«, staunte Nalkaar. »Wird Grimmgour auf seine alten Tage etwa nachlässig?«
»Das denke ich nicht«, erwiderte Thezael, »sie sind nicht auf sein Geheiß eingesperrt worden. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal davon. Ich habe das angeordnet und verhindert, dass die Gefangenen getötet werden.«
»Ihr?« Nalkaar blickte den Praister verwundert an. »Wie kommt Ihr dazu, eine solche Entscheidung zu treffen? Ist Euer Herz beim Anblick der Verletzten weich geworden? Ich dachte nicht, dass Ihr überhaupt eines besitzt.«
»Nein, ich habe sie zuvor auch noch nicht gesehen«, antwortete Thezael, »ich dachte nur, die Gefangenen könnten uns nützlich sein.«
»Inwiefern?«
»Geiseln können für den Austausch von Informationenoder anderen Gefangenen verwendet werden. Ihr könnt sie bei Bedarf für das Aushandeln eines Waffenstillstandes oder einer Kapitulation einsetzen. Oder nehmt sie als Proviant, falls Ihr auf dem Marsch nach Tut-El-Baya Hunger bekommt«, meinte Thezael.
»Hm«, Nalkaar kratzte sich nachdenklich unter der Kapuze, »verstehe. Aber ich weiß nicht, ob wir sie wirklich brauchen können. Sie sind doch nur Ballast. Sie auf dem Marsch mitzuschleppen wäre eine Zumutung für die Krieger.«
Nalkaar und Thezael traten an die Gitter des Käfigs heran und betrachteten sich die Gefangenen aus der Nähe. Thezael erschrak beim Anblick eines Gefangenen und trat plötzlich einen Schritt zurück.
»Was habt Ihr?«, fragte Nalkaar, dem die Reaktion des Praisters nicht entgangen war. »Habt Ihr einen Geist gesehen, der Euch an die Robe will?«
»Mitnichten«, antwortete Thezael mit belegter Stimme, »aber ich kenne den Gefangenen.«
Thezael deutete mit dem Finger auf einen am Boden liegenden Gefangenen, der aus mehreren Wunden blutete und starr an die Käfigdecke blickte. Seine Kleidung war zerrissen und blutverschmiert. Aber Nalkaar erkannte an der Kleidung, dass es sich um einen hochrangigen Klan handeln musste. Der Gefangene nahm den Todsänger und den Praister nicht wahr.
»Woher kennt Ihr ihn?«, wollte Nalkaar wissen.
»Er gehörte zu Jafdabhs Männern«, antwortete Thezael, »ich erinnere mich genau. Er war dabei, als sie uns Praister mit Schimpf und Schande aus dem Kristallpalast und Tut-El-Baya vertrieben haben. Ich vergesse kein Gesicht.«
»Du da!«, wandte sich Nalkaar an einen der Gefangenen, dessen Verletzungen er nicht für schwer hielt, »komm näher.«
Der Gefangene gehorchte und kroch auf allen vieren zu den Gitterstäben.
»Wie heißt der Mann?« Nalkaar deutete auf den am Boden liegenden Gefangenen.
»Oh«, stöhnte der Gefangene, »das ist Fürst Drolatol.«
»Genau«, brachte sich Thezael wieder ein, »Drolatol, das war sein Name.«
Nalkaar dachte nach und wies zwei Rachuren an, den Gefangenen aus dem Käfig zu holen.
»Was habt Ihr vor?«, fragte Thezael.
»Nichts weiter«, antwortete Nalkaar, »ich will ihn nur fragen, ob er singen kann.«
»Ihr wollt ihn zu einem Todsänger machen?«
»Wenn seine Stimme taugt, kann das nicht schaden«, lächelte Nalkaar.
»Das geht nicht«, empörte sich Thezael, »er gehörte zu Jafdabh. Ihr müsst ihn mir überlassen.«
»Warum?«, fragte Nalkaar, »was habt Ihr mit ihm vor? Folter? Bestrafung? Hinrichtung?«
»Sicher«, antwortete Thezael, »ein klein wenig gefoltert zu werden hat noch keinem geschadet. Es löst die Zunge und hilft dem Gedächtnis meist auf erstaunliche Weise auf die Sprünge. Die Wahrheit kommt dabei immer ans Licht. Sollte er die Folter überstehen, würde ich ihn gerne
Weitere Kostenlose Bücher