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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Mutter hatte die Kammer betreten. Sie stand neben Sapius. Ihre Hand lag auf Sapius’ Schulter. Sie musste ihn geweckt haben.
    »Es ist schön, Euch zu sehen«, sagte Elischa mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, obwohl ihre Augen etwas anderes ausdrückten, »ich habe Euren Besuch bereits erwartet.«
    »Oh … Elischa«, antwortete Sapius mit belegter Stimme. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen, »entschuldigt. Ich muss eingeschlafen sein. Ihr habt mich erwartet? Das überrascht mich.«
    »Ihr habt schlecht geträumt«, stellte Elischa fest, »Ihr habt geschrien und geweint.«
    »In der Tat«, gab Sapius zu, »doch ich fürchte, meine Träume sind mehr als nur Träume. Ich kann den Unterschied fühlen. Ich weiß inzwischen, ob sie mir eine echte Bedrohung zeigen oder ob sie nichts weiter als die Ausgeburt meiner Gedanken sind und ich nur Erlebtes in ihnen verarbeite. Aber die Gefahr ist Wirklichkeit, kein Traum. Das ist einer der Gründe, warum ich in das Haus der heiligen Mutter kam und mit Euch reden will.«
    »Ich bin hier«, antwortete Elischa, »reden wir.«
    Sapius betrachtete Elischa eingehend, bevor er sein Anliegen vortrug. Sie hatte sich verändert. Vom Leben gezeichnet, trug Elischa deutliche Spuren ihres Schicksals an ihrem Körper. Natürlich war sie gealtert. Aber was ihm an ihr auffiel, waren die äußeren und inneren Narben, die sie zeichneten. Elischa war härter und strenger geworden. Sie hatte einen Teil ihrer Weiblichkeit, der Ausstrahlung und Lebensfreude verloren, die sie einst für ihn so begehrenswert hatte erscheinen lassen. Das erschreckte ihn.
    »Ich kam, Euch zu warnen«, begann Sapius, »das Ende ist nah. Ich habe es gesehen. Ihr müsst den Orden auflösen und fliehen, bevor es zu spät ist. Rettet Euer Leben und das Eurer Schwestern.«
    Elischa musste lachen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder gefangen hatte. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »O Sapius, Ihr könnt manchmal so ulkig sein«, meinte sie immer noch lachend. »Ihr erscheint mir wie ein Prophet, der das Ende unserer Welt verkündet. Das ist doch verrückt. Ist das wirklich der Grund, warum Ihr gekommen seid? Die Warnung vor dem Untergang? Ein Traum, der Euch ängstigt. Wohin sollten wir denn fliehen? Der Orden ist unser Leben.«
    »Ihr kennt mich«, antwortete Sapius, »ich bin kein Wahnsinniger und ich würde keine Warnung aussprechen, wenn ich es nicht ernst meinte. Ich will nur Euer Bestes. Ihr sollt leben. Aber Ihr habt recht. Das ist nicht der einzige Grund, weshalb ich Euch aufsuche.«
    »Was wollt Ihr, Sapius?«, seufzte Elischa.
    »Ihr wisst, dass wir auf der Suche nach dem Buch der Macht sind.«
    »Ich dachte, Ihr hättet es bereits gefunden. Habt Ihr es wieder verloren?«
    »Wir haben einen Teil gefunden und … ja, auch wieder verloren«, Sapius räusperte sich verlegen, »… nun … den verlorenen Teil habe ich inzwischen wiederbekommen. Dennoch fehlt uns der Rest des Buches. Das ist ein Teil der Prüfungen, die wir Streiter bestehen müssen.«
    »Ich verstehe nicht, wie ich Euch dabei helfen kann. Ich habe dem Narren den Schlüssel zur Macht bereits ausgehändigt.«
    »Mag sein. Ich weiß nicht, welches Spiel Tarratar spielt. Dennoch muss ich von Euch zwei Artefakte verlangen.«
    »Artefakte? Drückt Euch bitte deutlicher aus, Sapius.«
    »Das Herz und das Gehirn des Kriegers. Ihr müsst sie mir überlassen.«
    Elischa wurde plötzlich blass und atmete schwer. Sie ließ sich auf einem Stuhl gegenüber Sapius nieder. Ihre Augen wurden zu Schlitzen. Ihr bohrender Blick musterte Sapius von oben bis unten. Ein kalter Schauer lief über Sapius’ Rücken. Er konnte ihrem Blick nicht standhalten und sah zu Boden.
    »Ihr wisst, was das bedeutet.« Elischas Stimme klang eiskalt. Sapius hätte sich im Augenblick keinen schrecklicheren Feind vorstellen können.
    »Das Ende der Orden. Ich weiß«, antwortete Sapius leise.
    »Und Ihr denkt, ich würde Euch die Artefakte freiwillig überlassen? Einfach so? Ich bin die heilige Mutter, Sapius. Ich trage die Verantwortung für den Orden der Orna und das Leben der Ordensschwestern. Die Antwortet lautet nein. Niemals! Nur über meine Leiche.«
    »Ich hoffte auf Eure Einsicht und Verständnis. Ihr seid eine sehr kluge und starke Frau, die weiß, wann sie nachgeben muss, um das Leben ihrer Schwestern zu retten. Ich glaube, mein Wunsch kommt nicht überraschend für Euch.«
    »Sapius!« Elischa lehnte sich mit dem Kopf nach vorne und kam Sapius’ Gesicht

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