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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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übermalt. Elischa hatte ganze Arbeit geleistet und konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein. Sie war kein Praister und gewiss nicht so gut wie die Schattenmänner, wenn es um die Präparation von Leichen ging, aber ihr Werk konnte sich sehen lassen. Ayale hätte es gewiss gefallen, dachte Elischa. Ayale sah friedlich aus, als ob sie schliefe. Elischa hatte der Toten ein rotes Gewand mit goldenen und grünen Stickereien angezogen. Es war nicht leicht, den steifen Leichnam hin- und herzuwuchten und ihr das Gewand überzuziehen. Die Stickereien zeigten Blumen, die Ayale besonders gern gemocht hatte.
    Eine Ordensschwester betrat die Kammer. Sie hielt den Kopf gesenkt und verneigte sich andächtig vor der Toten und der heiligen Mutter.
    »Vor den Toren der Ordenshäuser bittet ein Fremder um Einlass«, sagte die Ordensschwester.
    »Wer ist es?«, wollte Elischa wissen.
    »Seinen Namen nannte er nicht. Er gibt vor, mit Euch sprechen zu wollen«, fuhr die Ordensschwester fort, »es sei dringend und dulde keinen Aufschub, hat er gesagt.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Er sieht jung aus, geht jedoch vornüber auf einen Stab gebeugt. Sein Gesicht zieren viele Narben und es sieht schief aus, eigenartig verzerrt. Er hinkt auffällig. Ich glaube, er zieht ein steifes Bein nach. Sein langes, glattes und schwarzes Haar wirkt ungepflegt. Seine Haut ist für diese Gegend Ells sehr dunkel gebräunt. Seine Blicke sind durchdringend und düster. Ich fürchte mich vor ihm. Er trägt einen langen Stab in seiner Rechten und ein Buch unter seinem linken Arm bei sich.«
    »Ihr habt ihn Euch aber wirklich genau angesehen«, stellte Elischa fest.
    »Ja, wir musterten ihn, weil er wirklich ungewöhnlich scheint«, gab die Ordensschwester zu.
    »Eure Beschreibung passt exakt auf den Magier Sapius. Ich habe ihn schon erwartet. Gewährt ihm Einlass und führt ihn in die Kammer der heiligen Mutter. In die Empfangskammer, nicht in meine Privatgemächer. Bietet ihm etwas zu essen und zu trinken an und sagt ihm, er soll sich gedulden. Ich komme bald zu ihm.«
    »Seid Ihr sicher, dass Ihr ihn empfangen wollt?«, fragte die Ordensschwester ängstlich nach.
    »Natürlich, Sapius ist ein alter Freund. Ein Magier der Dunkelheit. Das ist der Grund, warum er auf manche von uns düster wirkt. Er ist aber auch ein Tartyk, was ihn jünger erscheinen lässt, als er tatsächlich ist. Er ist viel älter, als Ihr es seid, Schwester. Ihr solltet Euch nicht vor ihm fürchten.«
    Die Ordensschwester machte einen Knicks, drehte sich um und eilte davon.
    Ayales Geist hatte also die Wahrheit gesagt. Sapius kam in den Orden der Orna, um die heilige Mutter um etwas zu bitten. Was auch immer es war, es würde ihr gewiss nicht leichtfallen, seinem Verlangen nachzugeben.
    Sapius wartete vor den Mauern der Ordenshäuser ungeduldig auf Einlass. Der Flugdrache hatte ihn von Tut-El-Baya hergetragen. Der Magier schätzte diese Art zu reisen inzwischen sehr. Sie war bequem und schnell. Reiste er in Sprüngen über die Steine, kam er zwar ebenfalls gut und zügig voran, brauchte jedoch hin und wieder eine längere Rast, um seine magischen Kräfte aufzufrischen. Zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes kam er meist nur langsam voran und es strengte ihn an. Er hatte Mühe mit anderen Reisenden Schritt zu halten oder sich auf einem Pferd lange genug festzuhalten.
    Der Magier konnte es kaum erwarten, Elischa wiederzusehen, wenngleich der Anlass seines Besuches wenig erfreulich war. Er hoffte insgeheim darauf, sie würde es ihm leicht machen und seinen Wünschen entgegenkommen. Zeigte Elischa Verständnis, würde sein Besuch im Haus der heiligen Mutter nur kurz sein. Sie könnten im Guten wieder auseinandergehen. Sollte sie sich jedoch widersetzen, konnte das Wiedersehen einen sehr unangenehmen Verlauf für sie beide nehmen.
    Er wollte der heiligen Mutter erzählen, dass er einen Teil des Buches der Macht in Händen hielt und dringend ihre Unterstützung brauchte, auch den anderen, größeren Teil des Buches zu erringen. Elischa hatte es selbst in der Hand, wie ihre Begegnung ausging.
    Wenigstens hatten die eigenwilligen und irritierenden Visionen Jafdabhs aufgehört, seit er den Todeshändler davon überzeugt hatte, wie schädlich diese für Ell und das Gleichgewicht waren. Jafdabh hatte die Sinnlosigkeit seines Handelns eingesehen und schließlich eingewilligt, ihm das Buch auszuhändigen.
    Sapius wollte Elischa warnen und ihr zur Flucht raten. Das Ende war nah. Er konnte es fühlen, auch

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