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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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überstanden.«
    Madhrab gehorchte und öffnete seine Augen. Ein Gesicht hatte sich dicht über das seine gebeugt. Die Züge kamen ihm bekannt vor. Aber sie waren furchtbar blass, beinahe durchsichtig. Ein Schatten! Die Lippen wirkten grau. Die Augen lagen in dunklen Höhlen verborgen. Madhrab versuchte, sich zu erinnern.
    »Lass ihm Zeit«, hörte er eine andere Stimme sagen, »er muss zu sich selbst finden. Die Flammen haben ihm schwer zugesetzt.«
    Madhrab drehte seinen Kopf und erkannte neben dem Schatten, der sich über ihn gebeugt hatte, drei weitere Schatten, die sich in seiner unmittelbaren Nähe aufhielten. Sie waren ihrerseits damit beschäftigt, sich um weitere Schatten zu kümmern, die wie er selbst am Boden lagen und sich verwirrt umsahen. Madhrab richtete sich auf, um besser sehen zu können. Der Schatten über ihm wich zurück.
    »Er kommt zu sich«, sagte die Stimme, die Madhrab zuerst vernommen hatte.
    »Wo bin ich?«, fragte Madhrab tonlos.
    »Willkommen im Reich der Schatten, mein Freund«, antwortete der Schatten bei ihm.
    »Wer bin ich?«
    »Du bist Madhrab, der Bewahrer des Nordens. Und du bist tot, wie wir alle hier.«
    »Tot?«
    »Mausetot. Du könntest nirgendwo lebloser sein, als an diesem Ort.«
    »Aber …«, stammelte Madhrab, »… das Feuer. Ich brannte lichterloh in den Flammen. Wie kam ich hierher?«
    »Wir haben dich aus den Flammen der Pein befreit. Aber lass das bloß keinen wissen. Du hättest dort ewig schmoren müssen. Die Flammen werden zornig sein. Wir haben unsere Seelen dafür riskiert, dich ihrem Feuer zu entreißen.«
    Madhrab kam plötzlich ein Name in den Sinn.
    »Du … du bist Corusal«, stammelte Madhrab.
    »Wie schön, deine Erinnerung kehrt zurück. Ich hatte schon befürchtet, die Flammen hätten dir den letzten Funken deines Verstandes geraubt und wir hätten nur noch eine leere Hülle aus dem Feuer gezogen.«
    »Wie ist das möglich? Es ist eine Ewigkeit her, seit wir uns gesehen haben«, wunderte sich Madhrab.
    »Das stimmt. Ich bin schon viel länger im Reich der Schatten und sollte längst im Nebel des Vergessens sein. Aber die Umstände hier haben mir das unmöglich gemacht. Wer weiß, wozu es gut war. So konnten wir dich, Hardrab und Foljatin retten.«
    Madhrab sah sich erneut um und erkannte nun auch die übrigen Schatten. Warrhard, der Eiskrieger, Gwantharab und sogar Brairac, seine beiden Freunde, hatten sich um ihn versammelt. Die anderen beiden Schatten waren die Zwillingsbrüder, die ihm bis zu ihrem Ende und darüber hinaus treu gedient hatten: Gwantharabs Söhne, die sich von den erlittenen Qualen allmählich erholten und ebenfalls aufgerichtet hatten.
    Madhrab stand auf.
    »Ich bin überglücklich, Euch an diesem Ort zu treffen«, sagte Madhrab in die Runde, »dann ist es also wahr, was wir zu Lebzeiten erhofften. Nach dem Tod sehen wir alle uns im Reich der Schatten wieder.«
    »Und bitten die um Vergebung, die wir betrogen haben«, warf Gwantharab ein, »wir hätten uns gewiss nicht getroffen, wenn wir bereits im Nebel des Vergessens wären. Ihr könnt Euch sicherlich denken, dass ich über ein Wiedersehen mit Euch weit weniger erfreut bin als die übrigen Schatten!«
    »Aber Gwantharab, Ihr seid einer meiner besten Freunde!«, erwiderte Madhrab. »Euch zu sehen, ist mir eine besonders große Freude.«
    »Wir
waren
beste Freunde! Aber Ihr habt keines Eurer Versprechen gehalten, Madhrab«, antwortete Gwantharab verbittert, »Ihr habt meine Familie vernichtet, abgeschlachtet und geradewegs in die Flammen der Pein geschickt. Im Gegensatz zu Euch konnte ich weder meine Gemahlin noch eines meiner Kinder retten. Nur die Zwillinge zogen wir mit Euch aus den Flammen. Aber sie sollten nicht hier sein und noch viel weniger sollten sie mit Euch leiden müssen. Ihr wolltet sie vor Übel beschützen. Das habt Ihr mir an meinem Totenbett versprochen.«
    »Ich weiß und habe es all die Zeit versucht«, sagte Madhrab mit gesenktem Kopf, »ich habe versagt und kann Euch nur um Verzeihung für meine Unfähigkeit bitten, auch wenn meine Fehler unverzeihlich sind. Eure Familie fiel den Bluttrinkern zum Opfer. Ich kam zu spät und schickte sie in einem Kampf zu den Schatten und ja, zu meinem großen Bedauern in die Flammen der Pein. Das kann ich nicht wiedergutmachen. Es gibt keine Vergebung für das, was ich ihnen angetan habe. Dafür habe ich das Leid in den Flammen gewiss mehr als verdient. Wenn Ihr wollt, kehre ich aus freien Stücken dorthin zurück und büße

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