Kryson 06 - Tag und Nacht
fürchten uns davor, den wahren Grund zu erfahren. Wir glauben, jemand sehr Mächtiges hindert die Schatten daran, in den Nebel des Vergessens zu gehen. Wir wissen nicht, wer es ist, aber wir vermuten, es muss ein Totenbeschwörer oder Magier sein, der die Schatten für seine Zwecke einsetzen will. Er könnte uns benutzen, um das Gleichgewicht zu seinen Gunsten zu verschieben. Er könnte ganz Ell oder gar Kryson in ein Reich der Schatten verwandeln. Er hat Macht über uns und wird uns rufen, sobald er uns für seinen Krieg braucht. Wir müssen und werden ihm gehorchen. Das spüren wir.«
»Nalkaar, der Todsänger, und Thezael, der oberste Praister, haben Macht über die Schatten«, sagte Madhrab.
»O ja, die Namen sind uns wohlbekannt, mein Freund«, antwortete Corusal, »aber sie sind nicht die Einzigen, die diese Kunst beherrschen. In den Schatten erfahren, sehen und hören wir viel. Weit mehr als uns lieb ist oder du dir zu Lebzeiten vorstellen kannst. Ich weiß nicht, warum das so ist – vielleicht weil wir am Ende im Nebel wieder alles vergessen. Du erinnerst dich an den Jungen, der im Verlies des hohen Vaters aufwuchs. Madsick ist sein Name. Sein Flötenspiel verzaubert uns und zwingt uns, für ihn zu tanzen. Er und der Herr der Grube haben ebenfalls Macht über die Schatten. Aber es gibt noch andere. Die heilige Mutter der Orna kann die Schatten für sich einsetzen, obwohl sie womöglich selbst noch nicht von dieser Fähigkeit weiß. Ihre engste Vertraute, Ayale, eine alte Saijkalsan-Hexe könnte sie auf die richtige Fährte bringen. Saykara, die Königen der Nno-bei-Maya ist eine mächtige Totenbeschwörerin. Die magischen Brüder, die Saijkalrae und einige Saijkalsan beherrschen die Kunst, die Schatten für sich zu benutzen. Der Lesvaraq kann es lernen. Lernt er die Totenbeschwörung, dann könnte er der Stärkste und Gefährlichste unter den Genannten werden. Und einen dürfen wir niemals vergessen. Tarratar, der kleine Mann mit der Narrenkappe. Er ist unsterblich und einem Kojos gleich. Tarratar treibt sein höchst eigenes Spiel. Sein Antrieb ist es, sich nicht mehr zu langweilen und für seine Spieler immer neue Herausforderungen zu suchen, deren Lösung ihn dann überraschen soll. Die Macht kann ihm schon lange nichts mehr bieten. Er wird sich das Spiel und dessen Ausgang eher mit Freude aus der Distanz ansehen. Aber was nutzt uns all das Spekulieren. Es könnte – aus unterschiedlichen Motiven heraus handelnd – jeder der Genannten sein oder eben einer von zahlreichen anderen, der die Schatten auf dieser Ebene festhält.«
»Und Ihr könnt nichts dagegen unternehmen?«, fragte Madhrab.
»Wir sind nicht stark genug. Vielleicht sind wir einfach schon zu lange im Reich der Schatten, um uns aufzulehnen«, gab Corusal zu. »All unsere Hoffnungen liegen auf dir.«
»Auf mir?« Madhrab verdrehte die Augen. »Ich wüsste nicht, was ich tun kann. Ich bin so tot wie alle hier und habe noch nicht verstanden, wovon du eigentlich redest. Wer weiß, ob ich meine Fähigkeiten mit meinem Tod oder womöglich nicht schon davor verloren habe?«
»Wenn wir es nicht einmal versuchen, werden wir niemals erfahren, ob du auch im Reich der Schatten der Krieger bist, den wir zu Lebzeiten so sehr bewundert haben«, meinte Warrhard.
»Aber was soll ich machen?«, fragte Madhrab noch einmal.
»Du wirst dich wundern«, sagte Corusal, »ein alter Bekannter versperrt den Schatten den Weg in den Nebel des Vergessens. Du hast ihn vor nicht allzu langer Zeit getötet. Nachdem er im Reich der Schatten angekommen war, schwang er sich schnell zum Wächter über den einzigen Zugang zum Nebel des Vergessens auf. Anfangs war das keine große Schwierigkeit«, erklärte Corusal, »er ließ viele Schatten durch, sobald ihre Zeit gekommen war. Nur wenige forderte er zum Kampf in der Arena heraus. Wir vermuten, dass er nur zum Zeitvertreib und aus Spaß gegen andere Schatten kämpfte. Aber inzwischen besitzt er ein Schattenschwert und sein Antrieb scheint ein anderer zu sein. Trifft er einen Schatten mit der Waffe, verliert der Schatten seine Seele an den Schwertträger und wird niemals in den Nebel des Vergessens gehen. Der Schwertträger hingegen verleibt sich Wissen, Seele und Geist des Schattens ein und wird dadurch immer stärker. Niemand kam seither an dem Wächter vorbei. Er behandelt uns wie Gefangene. Solange er über den einzigen Zugang wacht, bleibt uns der Weg dorthin verschlossen.«
»Wer ist dieser Wächter, den die
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