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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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was sie sagen?«, wandte sich der dunkle Hirte an die alte Orna.
    »Ich mag zwar alt sein, aber noch lange nicht taub!«, meckerte Ayale.
    »Du weißt, was das bedeutet?« Der weiße Schäfer sah die Orna scharf an.
    »Nein«, entgegnete Ayale, »erklärt es mir.«
    »Du bist gescheitert und musst bestraft werden«, führte der weiße Schäfer aus, »aber du hast Glück. Wir erweisen uns als großzügig und ersparen dir das Schicksal in der Finsternis. Heute ist der Tag der Befreiung. Die Entfesselung hat bereits begonnen. Die Gescheiterten sind auf dem Weg in die heiligen Hallen, das Ritual der Beseelung mit uns gemeinsam zu begehen. Du bist ab jetzt eine von ihnen. Du wirst einen dieser toten Körper beseelen, sobald wir deinen Körper zerstört und ihm deinen Geist genommen haben.«
    »Nein … nein!«, rief Ayale, die plötzlich am ganzen Leib zitterte. »Das dürft ihr nicht machen. Ich kam freiwillig zu euch. Bitte. Ich flehe euch an! Ich will kein wandelnder Toter sein. Die heilige Mutter und der Orden der Orna brauchen mich.«
    Der dunkle Hirte drückte noch fester zu, zog Ayale dicht an sich heran und hauchte ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht. Saijkal packte die Orna mit beiden Händen am Hals, drehte sie zu sich und hob sie mühelos hoch.
    »Du hast keine Wahl, alte Frau«, flüsterte er und lachte gehässig, »du bist gescheitert.«
    Saijrae drehte den Kopf und blickte seinen Bruder an. Saijkal erwiderte den Blick und nickte. Saijrae drückte stärker zu. Ayale schrie und zappelte. Sie rang nach Luft, würgte und röchelte im Todeskampf. Aber nicht lange. Sie starb in den Armen des dunklen Hirten. Saijrae ließ den schlaffen Körper der Orna zu Boden sinken und trat mit dem Fuß dagegen. Sie rührte sich nicht mehr.
    »Ayales Körper wird auf Ell verrotten. Ihr Geist in den Hallen so lange umherirren, bis wir das Ritual beendet haben. Die Orna werden gewiss um ihre alte Schwester trauern und glauben, sie sei einfach entschlafen. Schließlich hat sie den Zeitpunkt eines normalen Todes schon längst überschritten. Aber ihre Augen und die Zunge drücken etwas ganz anderes aus. Einen gewaltsamen Gang zu den Schatten. Vielleicht werden die Orna sich doch über ihren Tod wundern. Ich wäre zu gerne dabei, wenn sie ihren Leichnam entdecken.«
    Der dunkle Hirte sah sich um und wandte sich an die verbliebenen Saijkalsan, die nach der Tat entsetzt zurückgewichen waren und sich ihren Gesichtsausdrücken nach am liebsten unbemerkt aus den heiligen Hallen verdrückt hätten.
    »Gibt es unter euch noch jemanden, der sich den Gescheiterten anschließen will? Wir haben genug Kadaver gesammelt, um jedem von euch einen Körper für die Beseelung zu geben.«
    Die Saijkalsan schwiegen und blickten beschämt zu Boden.
    Das Ritual konnte beginnen. Der dunkle Hirte und der weiße Schäfer fassten sich an den Händen und sprachen gemeinsam die Worte der Beschwörung. Sie hörten sich an, als sprächen sie mit einer Stimme, die sich in Höhe und Tiefe überlagerten. Tag und Nacht wurden eins, Licht und Schatten verschmolzen miteinander, totes Fleisch zum Leben zu erwecken. Es waren Worte dunkler Magie, die sich in den heiligen Hallen ausbreitete und die Luft um sie herum verdichtete. Wie schwere Gewitterwolken lag die Magie über den Köpfen der Saijkalsan und drückte auf die Gemüter der Anwesenden.
    »Kaj hachrar mort ta var … kaj nekror mort nach tar … nekror paykra mort la rar«, sprachen die magischen Brüder.
    Die Worte fühlten sich falsch und schmutzig an. Sie kamen nur schwer über die Lippen der Saijkalrae. Der dunkle Hirte sah seinen Bruder zweifelnd an, während er weitersprach. Doch Saijkal nickte, ohne zu verstummen, und forderte seinen Bruder auf, weiterzusprechen. Sie durften nicht aufhören, bis sich auch der letzte Geist mit einem der toten Körper verbunden hatte.
    »Kaj hachrar mort ta var.«
    Das Ritual der Totenerweckung und Beseelung war schwierig und barg viele Gefahren. Es war ein Fluch. Ein Frevel, der die Schöpfung selbst infrage stellte und wider die Natur gerichtet war. Jeder Totenerwecker wusste, dass er sich mit dem Ritual gegen die Kojos und das Gleichgewicht auflehnte. Der Preis für diese Art der dunklen Magie konnte hoch sein. Mehrere Schritte waren nacheinander in einer bestimmten Reihenfolge notwendig, wenn das Ritual Erfolg haben sollte. Zuerst musste das tote Fleisch belebt werden, erst dann durfte die Seele Besitz von dem erweckten Körper nehmen und den Geist erwecken.
    Der

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