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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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gegenseitig auf die Füße und säumten Bettler an Bettler den Rand des Marktes, als ob sie diesen in einem dichten Ring eingekreist hätten. Sapius fragte einen Bettler, warum sie sich so zahlreich ausgerechnet auf dem Markt versammelten.
    »Halt dein Maul und verschwinde«, fauchte der Bettler, »hier ist kein Platz mehr für dich. Alles ausgebucht. Du siehst doch, dass bereits zu viele von uns hier sind. Aber solltest du in einigen Wochen einen Platz mieten wollen, dann geh zu Tadder. Du findest ihn in der Marktschenke. Er vermietet die aussichtsreichsten Plätze und verlangt dafür nur einen Teil deiner Einnahmen.«
    »Scheint ein netter Klan zu sein, dieser Tadder«, hatte Sapius mit einem gequälten Lächeln angemerkt.
    »Der haut dir aufs Maul. Du stehst eine Woche nicht mehr auf, solltest du ihn nicht bezahlen oder bescheißen wollen. So nett ist Tadder. Und nun verschwinde. Erwischt er mich beim Quatschen oder dich beim Betteln in der Nähe seiner Plätze, bekommen wir beide aufs Maul oder wir werden von seinen Schlägern zugeritten wie die Stuten, die er am Hafen für Anunzen feilbietet.«
    »Tadder wird mir mit jedem Wort sympathischer«, grummelte Sapius, »vielleicht sollte ich ihn wirklich mal aufsuchen.«
    »Hau endlich ab, Dummkopf«, zischte der Bettler, »Tadder war einst ein Praister, der zu Thezaels engsten Vertrauten gehörte. Leg dich nicht mit ihm an.«
    »Danke für den Rat«, antwortete Sapius, »ich wünsche gute Geschäfte.«
    Jeder Bettler hatte seine ganz eigene Geschichte, um das Herz der Passanten zu bewegen. Manche Schicksale wirkten tatsächlich echt. Die meisten arbeiteten allerdings für Tadder. Es war keine Kunst, das herauszufinden. Der Name Tadder war in aller Munde. Zumindest unter den Bettlern, Dieben und Huren der Stadt.
    Es gab erschreckend viele Hungernde, Kranke und Verkrüppelte. Eine Auswirkung von Jafdabhs Vision einer neuen, technischen Welt, dachte Sapius und nahm zugleich an, dass Jafdabh zu beschäftigt war, die Missstände zu bemerken.
    Dem Magier hingegen kamen die zahlreichen Bettler ganz gelegen. Er unterschied sich nicht von ihnen. Sapius hoffte allerdings, dass er diesem Tadder nicht begegnete. Ärger oder Aufsehen war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
    Ein junger Mann, offensichtlich gut gelaunt und frisch verliebt, was Sapius daran erkannt hatte, wie dieser seine Gefährtin angesehen hatte, warf dem Magier sogar eine Anunze zu. Eine großzügige Spende. Davon konnte er sich immerhin etwas zu essen und ordentliche Schuhe kaufen.
    Tut-El-Baya hatte sich verändert. Sapius kam die Stadt schmutziger vor als zu jenen Tagen, an denen er mit Tomal im Kristallpalast zu Gast war. Ein Blick Richtung Palast und Gärten genügte ihm schon, um den Unterschied zu sehen. Die einst funkelnden und im Licht der Sonnen glitzernden Kristalle waren verblasst. Überzogen mit einer schmutzig braunen Schicht hatten sie ihre Leuchtkraft verloren. Auch die einst weiß getünchten Häuser und Mauern der Stadt wirkten dreckig. Sie waren nicht länger weiß, sondern grau, schwarz oder braun. Überall lag stinkender Abfall vor den Türen der Häuser, der sich an den Straßenecken und in Nischen teils haushoch stapelte. Neben den Straßen liefen Kloakenbäche, die in den quer durch die Stadt verlaufenden Flusskanal führten und von dort in der Nähe des Hafenbeckens ins Meer flossen. Zahlreiche rauchende Schornsteine ragten aus größeren Gebäuden in die Höhe. Sie waren höher als die höchsten Türme des Kristallpalastes.
    Über der Stadt hingen dicke Luft und Nebel, die das Licht der Sonnen nicht vollständig durchließen. Eine braunrot schimmernde, nach Rauch, Teer und Schwefel stinkende, dichte Wolkendecke. Der Nebel reizte die Atemwege. Sapius musste immer wieder husten, Nase und Augen brannten. Der Nebel setzte sich wie eine feuchte, klebrige Schicht auf Haut, Kleider und Steine und war nur schwer wieder abzuwaschen.
    Sapius versuchte, sich durchzufragen. Das war schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte. Er hätte sich auch auf seinen Instinkt verlassen können, aber die Zeit drängte und er wollte sichergehen, nicht am falschen Ort anzukommen. In seiner Aufmachung erntete er allerdings wenig Gegenliebe und wurde meist ohne Antwort stehen gelassen oder davongejagt. Er hatte schon begonnen, die am häufigsten gebrauchten Worte »hau ab«, »elendiger« und »Bettler« zu zählen. Dabei führte »Bettler« mit in kurzer Zeit über einhundert Erwähnungen das Feld der

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