Kubu und der Tote in der Wueste
sorgfältiger Arbeit hatten sie Arons verweste Leiche gefunden. Die Autopsie ergab, dass er mitderselben Waffe erschossen worden war wie Sculo. Seine sterblichen Überreste waren nach Deutschland zu den Frankentals überführt worden, die ihn nun betrauern und allmählich ihren Verlust verarbeiten konnten.
Nur Kubu war und blieb unzufrieden, weil sein Bedürfnis nach einer Lösung des Rätsels um den Tod der jungen Hofmeyrs noch immer unbefriedigt war. Nachdem er sich einmal dazu entschlossen hatte, dauerte es nicht lange, bis er die Psychologin fand, die Dianna vor so vielen Jahren behandelt hatte. Kubu schätzte sich glücklich, in Gaborone und nicht einer amerikanischen Stadt gleicher Größe zu leben. Dort hätte er es kaum geschafft, alle Seelenklempner zu kontaktieren.
Nach einer kurzen Wartezeit bat die Sprechstundenhilfe Kubu in das Therapiezimmer, das mit bequemen Sesseln, normalen Sofas und farbenfrohen Bildern an den Wänden ausgestattet war. In einer Ecke standen ein mit Papieren übersäter Schreibtisch und ein funktioneller, aber leerer Schreibtischstuhl.
Eine freundliche, ältere Dame saß entspannt in einem Lehnstuhl, dessen Bezug Rotkäppchen zeigte, das einen Wolf tätschelte.
»Superintendent Bengu?«, fragte die Dame, ohne sich zu erheben. »Ich bin Hilary Mayberry. Sie sehen ein wenig überrascht aus.«
Kubu lachte. Er ging auf sie zu, und sie reichten sich die Hände. Der Ermittler wählte einen Sessel mit grünlichem Bezug und einer Art Koboldmotiv.
»Ich habe wohl nach der Psychiatercouch Ausschau gehalten.«
Hilary lächelte. »Ich bin keine Psychiaterin, Superintendent, ich bin Psychologin. Ich maße mir nicht an, Geisteskrankheiten heilen zu wollen. Hauptsächlich bin ich als Therapeutin darauf spezialisiert, Kindern zu helfen, und sie mögen die Art von förmlicher Umgebung nicht, auf die ihre Eltern Wert legen. So, und wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich würde gerne mit Ihnen über eine Frau reden, die vor vielen Jahren als kleines Mädchen zu Ihnen in die Praxis gekommen ist.«
»Sie wissen aber doch, dass ich Ihnen weder etwas darüber erzählen kann, was meine Patienten mir anvertrauen, noch warum sie gekommen sind? Nur, weil sie Kinder sind, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht das Recht auf ein Vertrauensverhältnis haben.«
»Natürlich weiß ich das. Ich möchte auch nur auf die Umstände eingehen, die womöglich zu der Konsultation geführt haben. Vielleicht können Sie mir dabei helfen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass ich zu weit gehe, bremsen Sie mich einfach.«
»Das hört sich vernünftig an, Superintendent. Wie hieß das Kind?«
»Dianna Hofmeyr. Sie ...«
»Ich kann mich an sie erinnern«, unterbrach ihn Hilary. Sie wirkte aufmerksamer, fast angespannt.
»Ich glaube, sie kam zu Ihnen, nachdem ihr Bruder gestorben war.«
»Ja.« Es klang eher nach einem Eingeständnis als nach einer Bejahung.
»Und sie war damals vierzehn Jahre alt?«
Hilary nickte. »Was genau möchten Sie wissen, Superintendent?«
»Ich möchte Sie gerne über den Leoparden befragen.«
»Das ist jetzt ungefähr fünfzehn Jahre her. An die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern. Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden würden?« Sie zog eine Akte heraus, überflog sie und nickte vor sich hin, als die Erinnerungen zurückkehrten.
Kubu schwieg, bis sie so weit war. Dann fragte er: »Könnten Sie die Geschichte mehr oder weniger so wiedergeben, wie Dianna sie Ihnen erzählt hat? Nur die Fakten. Besonders das Ereignis mit dem Leoparden.«
Hilary überlegte kurz und griff dann auf ihr ausgezeichnetes Gedächtnis zurück.
»Wie Sie möchten. Sie hat allerdings nicht viel über den Leoparden erzählt, wissen Sie. Das Ereignis war sehr traumatisch. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie gar nicht darüber hätte reden wollen. Aber sie tat es. Sie sagte, er sei sehr groß gewesen, mit langen, spitzen Zähnen. Er sei plötzlich hinter einem Felsen hervorgesprungen und habe sie angegriffen.« Kubu wartete, und die Psychologin erkannte, dass er die ganze Geschichte hören wollte. Sie zuckte mit den Schultern, als wollte sie sagen: Was kann es jetzt noch schaden? Es ist so lange her.
Dann fuhr sie fort: »Sie erzählte mir, dass sie gerne den Kop pie auf der Familienfarm erkundete. Sie bezeichnete es als ›Farm‹, aber es war ein riesiges Anwesen, ich glaube, um die siebenhundert Acres Land. Das Gelände war von einem Schutzzaun umgeben und wurde von Sicherheitsleuten bewacht,
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