Kubu und der Tote in der Wueste
unangenehme Überraschung! Die Wildreservate überlebten eher dank der Touristen als infolge notwendiger Schutzmaßnahmen. Negative Schlagzeilen waren höchst unwillkommen.
»Ein Wilderer so weit südlich wäre ohnehin ziemlich unwahrscheinlich. Hast du selbst gerade gesagt«, betonte Bongani. »Und warum sollte sich einer von ihnen in einem derart gefährlichen Gebiet herumtreiben? Noch dazu alleine? So arbeiten die nicht.«
Andries widerstrebte es, seine simple Diagnose aufzugeben. »Manche operieren nicht in Gruppen, weißt du. Die sind einfach hungrig und suchen etwas zu essen.« Doch er wusste, dass das glatte Haar nicht zu seiner Theorie passte. »Aber nicht die Weißen«, gab er zu. »Dann muss es einer von diesen bescheuerten Touristen sein. Bestimmt zu viel Bier getrunken und dann den Macho markiert. Raus in die Wüste mit seinem Allradjeep, den er noch nie offroad gefahren hat. Und dann ist er liegen geblieben.« Durch die ausgleichende Gerechtigkeit hinter dieser neuen Idee bekam er wieder Oberwasser.
Bongani blickte hinaus in die Wüste und dann den Fluss hinunter. Der Wind, die Tiere und das harte Ufer hätten die fehlenden Fußabdrücke erklären können, aber Reifenspuren hielten sich unter diesen Bedingungen jahrelang. Das war einer der Gründe, warum Besucher auf den befestigten Straßen bleiben sollten.
»Wo ist denn das Auto?«, fragte er.
»Er muss in den Dünen liegen geblieben sein und sich rausgekämpft haben«, mutmaßte Andries.
Bongani wandte sich wieder der Leiche zu. Die sinkende Sonne ließ die Schatten länger werden. Die Dünen traten deutlicher hervor, und Bongani schärfte seinen Blick. »Meinst du nicht, er wäre seinen eigenen Reifenspuren bis zurück auf die Straße gefolgt?«, fragte er.
»Nein, Mann, er wusste, dass dieser Flusslauf weiter unten beim Camp in den Naledi führt, und er hat die Abkürzung genommen. Hier oben ist man mindestens drei Meilen von der Straße entfernt«, sagte Andries mit einer vagen Handbewegung flussaufwärts, »und man müsste die ganze Zeit die Dünen hoch- und runterklettern.«
Bongani verzog das Gesicht und starrte Andries an. »Also noch mal von vorn. Dein Tourist hat zu viel getrunken und wagt sich raus in die Dünen, möglicherweise in einem ungeeigneten Fahrzeug – ganz allein, denn niemand hat ihn als vermisst gemeldet. Er bleibt liegen, kennt sich aber in der Gegend gut genug aus, um zu wissen, dass der Wasserlauf die schnellste Route zurück zum Lager ist. Er hat aber keine Ahnung, wie vielen gefährlichen Tieren er gerade im Flussbett begegnen kann. Außerdem will er ein bisschen braun werden, denn er macht sich nackt auf den Weg.«
Andries senkte den Blick. »Wie kommst du darauf, dass er nackt gewesen ist?«, fragte er, die übrigen Einwände ignorierend.
»Siehst du vielleicht irgendwo Kleidungsreste? Die Tiere würden sie nicht fressen, vor allem, solange noch Knochen und ein bisschen Gewebe übrig sind. Und was ist mit den Schuhen? Die würden den Tieren auch nicht schmecken.« Bongani beobachtete den Wechselvon Licht und Schatten in den Sanddünen, während Andries schweigend die neue Überlegung verdaute.
»Lass uns mal oben in den Dünen nachsehen«, schlug Bongani schließlich vor. »Vielleicht ist er von dort gekommen. Aber wir sollten außen um den Baum herumgehen. Ich möchte keine Spuren zwischen der Leiche und den Dünen zerstören.«
Irgendetwas im Aussehen des Sandes erschien ihm ungewöhnlich. Ausnahmsweise widersprach Andries ihm nicht. Sie kletterten den Hang hinauf, bis sie über den Kamm der Düne am Flussbett hinwegsehen konnten. Reifenspuren führten vom Flussufer weg, die breiten Abdrücke zweier wüstentauglicher Allradfahrzeuge. Die Spuren näherten sich der Düne und endeten dann abrupt, als wären die Fahrzeuge in den Himmel gehoben worden.
»Scheiße!«, fluchte Andries plötzlich. »Der Wagen ist bis hierher gefahren und dann wieder zurück. Es war nur einer!«
»Stimmt«, pflichtete ihm Bongani bei. »Und die Leute, die drinsaßen, mussten an dieser Düne umkehren, als sie sahen, dass sie fast den Fluss erreicht hatten. Da, wo sie gedreht haben, haben sie den Sand wieder geglättet, damit man die Spuren vom Flussbett aus nicht erkennen kann.« Gemeinsam gingen sie zu der Stelle, an der die Spuren endeten. Kein Zweifel: jede Menge Stiefelabdrücke, und aus der Nähe erkannten sie die Wischmuster auf dem Sand, die der Wind nicht vollständig verweht hatte. Wer immer hier gewesen war, hatte die
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