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Kubu und der Tote in der Wueste

Kubu und der Tote in der Wueste

Titel: Kubu und der Tote in der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stanley
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seine Grübeleien und die Musik.
    Als er sich der Stadt Letlhakeng näherte, entspannte sich Kubu und fuhr langsamer. Eine neue Anzeigentafel am Straßenrand über Aidsprophylaxe lenkte ihn einen Augenblick ab. Als er wieder auf die Fahrbahn blickte, lief zu seinem Entsetzen gerade ein großes Schwein hinüber, genau in seine Richtung. Es war schwarz und auf dem Asphalt kaum zu erkennen. Und es ignorierte ihn vollkommen, während es seinen Weg ungerührt fortsetzte.
    Kubu lenkte den Landrover auf den unbefestigten Straßenrand, kam kurz ins Schleudern, gewann wieder die Kontrolle und bremste im aufwirbelnden Sand. Während er sich fluchend die Stirn mit dem Taschentuch abwischte, beobachtete er die Sau im Rückspiegel. Obwohl er sie nur haarscharf verpasst haben konnte , hatte sie ihn nicht einmal angeblickt oder einen Moment innegehalten. Und jetzt war sie von aufgeregten Ferkeln umringt, die ihr diese Nahtoderfahrung beschert hatten. Durch den Schock des Beinahezusammenstoßes mit ihrer Mutter hatte Kubu die Kleinen gar nicht gesehen. Jetzt erst kam ihm die Komik der Situation zu Bewusstsein, und er verzog den Mund zu einem Lächeln. Was für einen Nachruf das gegeben hätte! Der übergewichtige Detective und das Monsterschwein! Als er das riesige Tier, gefolgt von seiner Brut, in die Dornbüsche watscheln sah, schwor er sich, seine Diät in Zukunft ernster zu nehmen. Leise lachte er in sich hinein.
    Hinter Letlhakeng wurde die Straße zu einem unbefestigten Weg, auf dem keine anderen Fahrzeuge unterwegs waren. Kubu fuhr weiter durch das dornige Buschland der Kalahari. Dieses Land ist schon etwas Besonderes, dachte er – diese Einsamkeit, diese Weite, diese Leere. Ein Land, das unvorbereiteten Menschen übel mitspielt, aber jenen, die es verstehen, seine geheimen Schätze nach und nach preisgibt.
    Zum Beispiel die Buschleute – ein erstaunlich kleinwüchsiges Volk, das unter widrigsten Umständen überleben konnte. Jäger und Sammler, die seit über zwanzigtausend Jahren das südliche Afrika bewohnten. In den vergangenen Jahrhunderten waren sie von Schwarzen wie von Weißen immer weiter zurückgedrängt worden. Die Schwarzen rückten von Zentralafrika aus nach Süden, die Weißen vom Kap der Guten Hoffnung aus nach Norden. Und die Ambivalenz war geblieben. Derzeit gab es Spannungen zwischen den Kalahari-Buschleuten und der Regierung von Botswana. Die Regierung hatte die Buschleute aus dem Wildreservat nach Süden umgesiedelt und versichert, das würde ihnen helfen, zu überleben und sich an die moderne Gesellschaft anzupassen. Gegner argumentierten, der wahre Grund sei, dass die Regierung Diamantensuchern erlauben wolle, in traditionellem Buschmannland zu schürfen.
    Kubu hatte den Buschleuten viel zu verdanken. Sein Jugendfreund, der Buschmann Khumanego, hatte ihm gezeigt, dass die Wüste lebte und nicht tot war, wie er geglaubt hatte. Er konnte sich noch lebhaft daran erinnern, wie ihn Khumanego einmal in den Ferien kilometerweit in die karge, brütend heiße Trockenlandschaft mitgenommen und dort einen Kreis von ein paar Metern Durchmesser gezogen hatte.
    »Was siehst du?«, hatte Khumanego gefragt.
    »Sand, Steine und etwas trockenes Gras. Sonst nichts«, hatte er geantwortet.
    Khumanego schüttelte freundlich den Kopf. »Ihr Schwarzen!«, schalt er. »Sieh noch einmal hin.«
    »Ich sehe Sand und Steine, einige klein, andere etwas größer. Und ein bisschen dürres Gras.«
    Eine Stunde später hatte sich die Welt für Kubu verändert. Khumanego hatte ihn gelehrt, hinter das Offensichtliche zu blicken, unter der Oberfläche zu forschen und zu bemerken, was keiner sonst sah. Der kleine Kreis steckte voller Leben – Ameisen, Pflanzen, die wie Steine aussahen (Lithops, wie er später herausfand), Käfer und Spinnen. Kubu liebte die Lithops – geschickt als Steine getarnte Wüstenpflanzen, die kaum als solche zu erkennen waren. Getarnt, in fremder Gestalt, fügten sie sich in ihre Umgebung ein,
    Die Falltürspinne faszinierte ihn ebenfalls. Wenn man den Sand genau beobachtete, konnte man rund um manche Stellen fast unmerkliche Spuren von Aktivität wahrnehmen. Kniend zeigte Khumanego auf die winzigen Erhebungen im Sand. Er bedeutete Kubu, die Falltür mit einem Zweig aufzubohren. Kubu gehorchte, gespannt darauf, was er entdecken würde. Der geöffnete Eingang enthüllte einen Tunnel vom Umfang und der Länge eines Bleistifts. Die Wände bestanden aus Sandkörnern und einer Substanz, die sie zusammenhielt.

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