Kubu und der Tote in der Wueste
einzufangen. Jetzt stellte er sich vor, wie Dr. Richard Kimble in der Kalahari seine Nemesis stellte, den Feind in einem Kampf tötete, ihm anschließend die Zähne ausschlug und den Holzarm als Souvenir mitnahm. Die Vorstellung fand er so komisch, dass er auflachen musste.
»Warum lachst du?«, fragte Joy.
Kubu versuchte, es ihr zu erklären, indem er sie an den Film erinnerte. Aber Joy war nicht überzeugt. »Du lachst über meine Idee«, sagte sie gekränkt.
Kubu versuchte, die Situation zu retten. »Nein, nein!«, erwiderte er. »Ein Holzarm ist ein sehr interessanter Aspekt. Ich habe nur gelacht, weil ...« Aber Joy unterbrach ihn: »Eine Armprothese. Und du lachst, weil du meine Ideen niemals ernst nimmst, David.« Dass sie seinen richtigen Namen gebrauchte, war ein schlechtes Zeichen. Sie begann, demonstrativ die Teller abzuräumen. Ilia erntete einen strafenden Blick, als sie um die Reste bettelte.
Kubu erkannte, dass er ihre Gefühle verletzt hatte, und versuchte, das Thema zu wechseln. »Du könntest durchaus recht haben mit deiner Theorie, warum sie den Arm entfernt haben«, sagte er rasch. »Es gibt wirklich keinerlei Hinweise auf die Identität des Toten. Der Rechtsmediziner hat zwar herausgefunden, dass beide Arme einmal gebrochen waren, aber was sollen wir damit anfangen? Wir können unmöglich alle Krankenakten über solche Verletzungen auftreiben.«
Joy sah ihn an, die Teller noch in der Hand. Sie schien ihm schon nicht mehr böse zu sein. »Aber Kubu«, sagte sie, »diese Brüche sind doch genauso gut, als wenn ihr die Zähne hättet. Ihr hättet seine Identität ja auch nicht herausgefunden, indem ihr alle Zahnarztunterlagen durchgesehen hättet, sondern ihr hättet eine Hypothese über seine Identität anhand solcher Unterlagen überprüft oder bestätigt. Heutzutage werden alle Knochenbrüche geröntgt. Wenn ihr irgendwann einen Anhaltspunkt habt, wer der Tote gewesen sein könnte, könnt ihr diese Unterlagen anfordern und die exakte Position der beiden Brüche mit den Röntgenbildern vergleichen. Das müsste genauso aussagekräftig sein wie ein Zahnstatus.«
Kubu ergriff die Gelegenheit. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, sagte er gewandt. »Das klingt wirklich sehr sinnvoll.« Er umarmte sie fest. Dabei fielen die Essensreste auf den Boden – sehr zu Ilias Freude. Die Sache mit dem falschen Arm war endgültig vom Tisch.
Joy fragte ihn, ob er irgendeine Idee habe, wer das Opfer gewesen sein könne. Sie schien sich am liebsten sofort auf die Krankenakten stürzen zu wollen.
»Es gibt keine passende Vermisstenmeldung, soweit wir wissen.«
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Der Manager von Dale’s Camp. Das liegt in der Nähe des Wasserlochs. Er war zusammen mit einem Wissenschaftler unterwegs, deran der Uni über Ökologie forscht. Sie haben Geier kreisen sehen und dachten, ein Löwe hätte ein Wild geschlagen. Stattdessen fandensie eine verstümmelte Leiche. Der Ökologe ist sehr intelligent – ihm sind viele Einzelheiten aufgefallen, und er hat sofort die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Ich fand ihn sehr sympathisch, obwohl er mir gegenüber die ganze Zeit ziemlich nervös schien – kannst du dir das vorstellen?« Kubu lächelte. »Wenn der Fall abgeschlossen ist, würde ich ihn gerne einmal zum Essen einladen. Ich glaube, du würdest ihn mögen.«
»Wie heißt er? Wie alt ist er?«, fragte Joy.
Kubu seufzte, er wusste genau, worauf sie hinauswollte.
»Sein Name ist Bongani Sibisi. Er hat einen Doktor in Ökologie. Und ich weiß nicht, ob er Single ist und ob er Pleasant gefallen würde! «
Vierter Teil
JUCKENDE DAUMEN
Juckend sagt mein Daum mir an,
Etwas Böses kommt heran!
SHAKESPEARE
Macheth,
4. Akt, 1. Szene
JANUAR UND FEBRUAR
Kapitel 19
Trotz ihres relativ geringen Ausmaßes und der Bemühungen, so wenig ökologischen Schaden anzurichten wie möglich, verunstaltete die Maboane-Diamantenmine die trockene Landschaft wie eine hässliche Narbe. Es handelte sich um eine offene Mine, die sich, dem Kimberlit-Erz bis in die Tiefe folgend, immer weiter in den Boden hineinfraß. In der Nähe des Schürfgebietes stand die Anlage, in der das Erz zerkleinert, gewaschen und aussortiert wurde. Sie war aus galvanisiertem Wellblech und glühte förmlich in der Sonne, die ungestrichenen Wände stumpf von Sandstürmen und Sonneneinstrahlung. Starke Ventilatoren konnten nicht verhindern, dass in ihrem
Inneren höllische Temperaturen herrschten.
Aron
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