Kuckuckskind
das klappte schon letzte Woche«, behauptet Patrick. »Junge, du hast immer noch nicht für die Reise gepackt!«
Manuel wirft mir einen flehenden Blick zu. »Mein Vater meint, dass man drei Tage braucht, um eine Unterhose, ein Tanktop und ein Muscleshirt in den Seesack zu stopfen.«
»Du willst mich unbedingt blamieren«, sagt Patrick. »Diesen Luxusdampfer darfst du erst entern, wenn fünf Filipinos deine zehn Überseekoffer an Bord gehievt haben.«
Unsere gute Laune wird durch das Schrillen des Telefons verdorben. Ob ich morgen mit Victor aufs Polizeirevier kommen könne? Es gehe bloß um eine Speichelprobe und dauere nur wenige Minuten; die schriftliche Einwilligung des nominellen Vaters liege vor.
Offenbar taugt Steffens private Recherche nicht als Beweismittel. Pflichtgemäß rufe ich Gernot an, um ihn sowohl über meinen Besuch in der Klinik als auch über die Maßnahme der Polizei zu informieren.
»Man hat mich ebenfalls zum Gentest [272] einbestellt«, sagt Gernot, »und ich bin sauer. Sie behaupten zwar, es sei eine freiwillige Aktion, aber wenn ich mich weigere, mache ich mich verdächtig. Was bleibt mir also anderes übrig?«
Das Geld für Gernots Genanalyse hätte ich mir sparen können, denke ich missmutig. Neu ist für mich allerdings, dass man meinem Exmann auf die Seitensprünge gekommen ist, wenn auch verspätet. Ob auch allen meinen Kollegen ein Abstrich der Mundschleimhaut entnommen wird? Die Mehrheit ist in den Sommerferien gar nicht im Lande. Trotzdem kommt jetzt endlich Schwung in die Angelegenheit: Wenn das Geheimnis um Victors unbekannten Vater erst einmal gelüftet ist, klärt sich vielleicht auch die restliche Situation.
Abends besucht uns Martina, Patricks Kusine. In der Urlaubszeit ruhen die Chorproben, so dass auch der wöchentliche Stammtisch nach der Singstunde ausfällt.
»Ich war lange nicht mehr bei euch«, sagt sie. »Nein, was ist der Victor doch für ein allerliebstes Kerlchen! Bei seinem Anblick kriegt man direkt Lust, wieder mit dem Brüten zu beginnen. Aber meine zwei Nervensägen sind jetzt einigermaßen selbständig, für meinen Mann ist dieses Thema abgehakt.«
[273] »Habt ihr eigentlich noch ein Kinderbett?«, fragt Patrick versonnen, und ich wittere Morgenluft.
»Natürlich«, sagt Martina, ebenfalls ganz Ohr. »Braucht ihr am Ende bald ein zweites?«
»Nein, nein«, sagt Patrick hastig, »es ist nicht so, wie du gleich wieder denkst. Unser gnädigster Prinz Victor Augustus schläft ganz nach Belieben mal oben bei Anja, mal unten bei mir. Es wäre praktisch, wenn wir in jedem Stockwerk ein Bettchen für ihn hätten.«
»Wenn du es abholen kommst und vom Dachboden herunterschleppst – bitte sehr«, sagt Martina.
Wir sind schließlich wieder allein, aber in meinem Kopf arbeitet es. Mutterworte wirken oft erst spät, dafür aber nachhaltig. Heute kriege ich dich noch, denke ich und betrachte meinen Patrick mit begehrlichen Augen. »Trägst du mir bitte den Kleinen nach oben?«, frage ich listig, um ihn diskret in mein Reservat zu locken.
Nichtsahnend folgt er mir. Kaum aber ist Victor nach seinem Schlummertrunk eingeschlafen, verschwinde ich schnell im Bad und komme in Mutters transparentem Nachthemd wieder zum Vorschein.
Leider scheint das meinem Liebhaber noch nicht einmal aufzufallen; gedankenverloren blättert er in [274] einem alten Katalog und betrachtet sich kopfschüttelnd, welche sportlichen Kleidungsstücke letztes Jahr modern waren. »Meinst du, Manuel kommt auf der Kreuzfahrt mit zwei Jeans und einer dunklen Hose über die Runden? Es widerstrebt mir sehr, ihm Sachen zu kaufen, die er später doch nicht anzieht.«
»Warum soll ein fast Sechzehnjähriger seine Garderobe nicht selbständig aussuchen? Und warum kümmert sich deine Frau nicht um Manuels Outfit? Schließlich hat sie ihn eingeladen!«
»Aber sie trifft ihn doch erst in Travemünde!«
»Stell dir vor, selbst dort gibt es Geschäfte. Und unterwegs kann man in jedem Hafen einkaufen.«
»Anja, ob du es glaubst oder nicht, aber diese irrwitzige Kreuzfahrt kostet mich schlaflose Nächte.«
»Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da«, sage ich kess und rücke ihm auf den Pelz.
Patrick lächelt milde. »Heute nicht, Liebling. Habe fertig, habe Kopfweh.«
Gern würde ich kontern: Habe Eisprung! Doch leider machte ich in früheren Zeiten schlechte Erfahrungen mit diesem Reizwort, weil es meinem Exmann zuverlässig die Lust vergällte. Als gebranntes Kind stelle ich mich jetzt
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