Kuehler Grund
ich denke, die meisten Menschen fangen sich erst nach der Beerdigung wieder.«
»Haben Sie persönlich mit den Vernons gesprochen?«
Margaret zögerte. »Ich habe versucht, Charlotte anzurufen, aber es nimmt niemand ab. Man bekommt nur den Anrufbeantworter.«
»Ich komme gerade aus der Villa«, sagte Fry.
»Ach.« Offenbar wusste Margaret nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Sie trug einen langen Rock und flache Riemchenschuhe und hatte sich einen leichten Pullover um die Schultern geschlungen. Sie sah erhitzt aus, aber das war bei diesem Wetter nichts Ungewöhnliches.
»Ich habe mit Mrs. Vernon gesprochen.«
»Ist sie … Wie wird sie damit fertig?«
»Nicht ganz so, wie man es erwarten würde.«
»Ach«, wiederholte Margaret.
Fry ging zum Erkerfenster und blickte durch die Gardine in den Vorgarten. Aus der Nähe waren die Geranien welk und braun, die dunkelroten Blütenblätter sammelten sich um den Fuß des Schornsteinaufsatzes.
»Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Ihrem Mann und den Vernons beschreiben?«, fragte sie.
»Er arbeitet für Graham. Es ist eine gute Stelle, und Andrew muss sehr viel leisten.« Margaret setzte sich auf die Kante eines Sessels und zog nervös ihren Rock glatt. Sie sah Fry beklommen an. Anscheinend behagte es ihr nicht, dass die Beamtin es vorzog, am Fenster stehen zu bleiben und den Wink mit dem Zaunpfahl zu ignorieren. »Er war nämlich eine Zeit lang arbeitslos. Umso glücklicher ist er jetzt, dass er wieder eine feste Stelle hat.«
»Ist es nur ein ganz normales Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis? Oder mehr?«
»Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen«, antwortete Margaret. »Sie arbeiten sehr eng zusammen. Dass sich dabei auch ein persönliches Verhältnis entwickelt, bleibt wohl nicht aus.«
»Ein persönliches Verhältnis? Dann sind sie Freunde? Verkehren Sie gesellschaftlich mit den Vernons? Waren Sie schon einmal bei ihnen zu Besuch?«
»Doch. Ein-, zweimal. Graham ist sehr gastfreundlich.«
Fry beobachtete sie genau. Ihr entging nicht, dass Margarets Blick plötzlich flackerte und ihre Hände fahrig umhertasteten, als ob sie am liebsten etwas gerade gerückt hätte. Aber die Situation ließ sich nicht einfach mit einem Aufschütteln oder Glattstreichen entschärfen.
»Und Charlotte Vernon?«, sagte Fry. »Ist sie ebenso gastfreundlich?«
»Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, fragte Margaret mit einem fast verzweifelten Unterton in der Stimme.
»Nein, danke.«
»Ich glaube, ich brühe uns trotzdem eine Kanne auf.«
»Wie Sie möchten.«
Fry begleitete sie in die Küche und lehnte sich lässig an einen furnierten Eichenschrank, sodass sie fast die Kühlschranktür blockierte. Margaret Milner wurde immer nervöser. Sie starrte Fry über die Tür hinweg an, eine Plastikflasche mit halbfetter Milch in der Hand.
»Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Bloß ein bisschen Hilfe«, sagte Fry. »Ich versuche, ein paar Einzelheiten zu klären.«
Die kalte Luft aus dem offenen Kühlschrank stand zwischen ihnen, sodass Fry fröstelte und die Stahlflächen beschlugen. Margaret schien sich nicht überwinden zu können, die Tür wieder zu schließen, als ob sie Angst hätte, Fry zu nahe zu kommen und sich bei ihr womöglich mit etwas zu infizieren, wogegen man mit Scheuermitteln und Chlorbleiche nicht ankam.
»Ich weiß nicht, bei welchen Einzelheiten ich Ihnen helfen könnte. Ich weiß es beim besten Willen nicht.«
Margaret ließ die Kühlschranktür tatsächlich einen Spalt breit offen und schaltete den Wasserkocher ein. Als Fry die Tür zuschlug, zuckte sie wie angeschossen zusammen. Wasser schwappte auf die Arbeitsplatte.
»Wüssten Sie, wo genau Sie Mr. Milner jetzt erreichen könnten, wenn es dringend wäre?«
Margaret warf automatisch einen Blick auf die Wanduhr. »Im Büro könnte man Ihnen sagen, wo er ist. Er ist viel mit dem Auto unterwegs. Besprechungen mit Klienten. Er hat so viel zu tun. Es ist möglich, dass es heute Abend wieder spät wird.«
So, so, er kam also abends spät nach Hause, und sie wusste nie genau, wo er gerade war. Fry fragte sich, ob Andrew Milner tatsächlich so beschäftigt war, wie er seine Frau glauben machte. Sie musste alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.
»Kann es vorkommen, dass Sie nicht wissen, wo Ihr Mann gerade ist, aber Graham Vernon genau weiß, wo er sich aufhält?«
»Natürlich.«
»Und manchmal weiß vielleicht auch Charlotte Vernon, wo er ist?«
Margaret starrte auf den brummenden
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