Kuehler Grund
Wasserkocher, als ob er ein unanständiges Wort von sich gegeben hätte. Dann riss sie Mund und Augen auf und fuchtelte mit den Fingern. »Aber nein. Was wollen Sie damit sagen?«
»Das liegt doch klar auf der Hand. Mrs. Vernon hat recht offen darüber geredet.«
»Hat sie irgendwelche Andeutungen über Andrew gemacht? Das ist doch lächerlich. Offensichtlich geht es ihr nicht gut. Sie muss sehr angeschlagen sein, wenn sie solche Sachen erfindet.«
»Dann glauben Sie nicht, dass es stimmt?«
»Ob ich es glaube? Was für ein Unsinn! Andrew? Unsinn!«
»Ihnen ist klar, dass es die eigene Frau immer als letzte erfährt?«
»Nein, also wirklich … Andrew?« Sie lachte künstlich. »Das ist ausgeschlossen.«
»Okay.« Das Wasser begann zu kochen, aber niemand achtete darauf. Eine Dampfwolke driftete durch die Küche, doch sie löste sich auf, bevor sie Frys eiskalte Hände wärmen konnte. »Noch ein letztes Detail, Mrs. Milner. Sind Sie mit einem Jungen namens Simeon Homes verwandt?«
»Simeon ist der Sohn meiner Cousine Alison. Sie wohnen in der Devonshire-Siedlung.«
»War Ihnen bekannt, dass er Lauras Freund war?«
Margaret rang die Hände und starrte aus dem Erkerfenster. »Erst seit gestern Abend, als Alison es mir erzählt hat. Sie sagte, dass er auf die Polizeiwache musste.«
»Also noch eine Tatsache, von der Sie nichts wussten?«
»Nein, nein«, rief Margaret. »Nicht Andrew. Das ist absurd!«
Fry trat auf die rutschigen Blätter der Geranienblüten, als sie das Haus verließ. Von oben leuchteten sie noch scharlachrot, darunter aber waren sie schwarz und modrig. Absurd? Absurd war einzig und allein die Vorstellung, dass sie in dem Raum mit den Gardinen und den Cottage-Miniaturen mit Margaret Milner Tee getrunken hatte.
Während sie den Peugeot wendete, fiel Fry noch jemand ein, bei dem sie ihr Glück versuchen konnte. Sie freute sich schon auf den Besuch, vor allem, wenn sie daran dachte, wie Helen Milner Ben Cooper auf der Straße in Moorhay angehimmelt hatte.
Als der Anruf von ihrer Mutter kam, hatte Diane Fry das Haus in Edendale gerade erst verlassen, und es dauerte einige Minuten, bis Helen sie wieder beruhigt hatte. Danach rief Helen sofort ihre Großeltern an. Sie benutzten das Telefon kaum und hatten sich nur überreden lassen, sich für den Notfall eines anzuschaffen und weil Andrew die Grundgebühr bezahlte. Als Helen das Freizeichen hörte, konnte sie sich gut vorstellen, wie das Klingeln die alten Leute alarmieren würde. Doch dann würde Harry langsam aufstehen und den Hörer abnehmen. Telefonieren war schließlich Männersache.
»Granddad, ich bin es. Helen.«
»Hallo, Helen. Was gibt es?«
»Die Polizei, Granddad. Sie stellen Fragen über Dad.«
»Was du nicht sagst. War es der eingebildete Affe, der so geschwollen daherredet, oder der unsympathische Kerl, den er bei sich hatte?«
»Keiner von beiden.«
»War es …?«
»Nein, es war die Frau. Detective Constable Fry.«
»Die? Dieses Kind?«
»Trotzdem …«
Harry hielt inne und überlegte. »Aye, du hast Recht. Gut, dass wir Bescheid wissen.«
Helen Milner wohnte in einem von vier winzigen Cottages, die bei der Umwandlung einer Scheune entstanden waren.
Hinter der Scheune mit dem welligen Dach standen mehrere alte Gebäude, für die noch niemand eine Verwendungsmöglichkeit eingefallen war. Die Räume hatten unverputzte Steinwände, Flügelfenster und geschwärzte Balken. Die Einrichtung bestand vorwiegend aus abgebeizten Kiefernmöbeln, aufgelockert mit Rattanstühlen und einem Binsenteppich auf dem Küchenfußboden.
Helen zeigte sich nicht überrascht, Diane Fry zu sehen, und die Beamtin vermutete, dass die Telefone nicht mehr stillgestanden hatten, seit sie in Edendale losgefahren war. Sie machte sich darauf gefasst, dass die Tochter genauso wenig mitteilsam wäre wie die Eltern und ihr die Schockierte und Ahnungslose vorspielen würde.
Doch dann war sie überrascht, wie lange das Gespräch dauerte. Was Helen Milner ihr bei einer Tasse Pulverkaffee aus handgetöpferten Bechern zu erzählen hatte, war so faszinierend und erhellend, dass Fry den Anlass für ihren Besuch bei der zweiten Tasse fast vergessen hatte.
22
Die drei alten Männer hatten sich in Moorhay in der Post getroffen, um ihre Rente abzuholen. Es herrschte viel Betrieb, nicht nur wegen des für einen Donnerstag üblichen Rentnerandrangs, sondern auch wegen der Wanderer, die sich mit Schokoladen- und Erdbeereis aus der Kühltheke eindeckten. Es
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