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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Pfund extra lockermachen.«
    »Das liegt an den Sparmaßnahmen.«
    »Sparmaßnahmen!« Garnett stieß es wie einen Fluch hervor. Beide Männer blieben einen Augenblick stehen, um dem Wort hinterherzulauschen, und schüttelten resigniert den Kopf.
    »Bleiben Sie mir bloß mit diesen Buchhalterseelen vom Leib«, sagte Garnett. »Für die sind wir doch keine Polizisten mehr, sondern eine Zahlenkolonne auf einem Stück Papier. Alles dreht sich nur noch um spektakuläre Einsätze und Aufklärungsquoten. Für einen Polizisten vom alten Schlag ist heute kein Platz mehr.«
    Verbittert sah er zu der Spezialeinheit hinüber, die sich hinter einer Reihe von Pyramidenpappeln, die wie dunkle Stacheln aus der Landschaft ragten, durch das Gebüsch kämpfte.
    »Aber wem sage ich das? Sie sind anders, mein Junge. Ganz der Vater, wie man hört. Hut ab, kann man da nur sagen. Viel Glück wünsche ich Ihnen.«
    »Danke.«
    Cooper war gerade erst aus seinem zweiwöchigen Sommerurlaub zurückgekommen. Gleich an seinem ersten Arbeitstag war er für die Suche nach Laura Vernon eingeteilt worden, fünfzehn Jahre alt, seit Samstagabend vermisst. Sie hatte kurzes, dunkles, rot-gefarbtes Haar, trug eine silberne Perle in der Nase, war 1,75 Meter groß und reif für ihr Alter. Gleichzeitig suchten sie auch nach ihrer Kleidung – schwarze Jeans, rotes, kurzärmeliges Baumwoll-T-Shirt, weißer Sport-BH, blauer Slip, blaue Söckchen, ein Paar Turnschuhe Marke Reebok, Größe 38, slim fit. Dass die Suche ihrer Leiche gelten würde, sobald sie die Kleidung gefunden hatten, verstand sich von selbst.
    »Was diese Kleine angeht: Wenn Sie mich fragen, ist sie längst über alle Berge«, sagte Garnett. »Mit ihrem Freund durchgebrannt. Irgendein Halbstarker aus Manchester mit einem Motorrad. Aber so geht es eben heutzutage zu bei den Teenagern. Und wen wundert das? Schließlich lernen sie in der Schule alles über Verhütung, wenn sie noch keine zwölf Jahre alt sind. Und die Eltern haben natürlich keine Ahnung. Eltern wie die hier bestimmt nicht. Meistens kriegen sie doch kaum mit, dass es das Kind überhaupt gibt.«
    Cooper hatte noch Muskelkater in den Beinen von seiner Klettertour in den steilen, imposanten Cuillin Hills auf der Isle of Skye. Seine Freunde Oskar und Rakesh, die zur Bergrettung von Edendale gehörten, konnten von den Bergen einfach nicht genug bekommen. Er selbst hätte heute allerdings gegen einen ruhigen Tag am Schreibtisch nichts einzuwenden gehabt: ein paar Telefonate vielleicht, sich informieren, was in den letzten vierzehn Tagen passiert war, sich den neuesten Revierklatsch anhören. Alles wäre ihm lieber gewesen als diese Kraxelei.
    Aber er kannte sich in der Gegend aus, das Dorf, aus dem er stammte, lag nur wenige Kilometer entfernt. Die meisten Männer, die für die Suchmannschaft eingeteilt worden waren, kamen aus anderen Gebieten oder Dienststellen. Einige von ihnen waren sogar aus der Stadt. In diesem Gelände wären sie reihenweise in die alten Minenschächte gefallen, wenn ihnen nicht einer erklärt hätte, wo oben und unten war.
    Natürlich konnte PC Garnett durchaus Recht behalten. Es geschah schließlich oft genug, dass sich Jugendliche im ländlichen Peak District langweilten und den Verlockungen der Großstadt erlagen. Und einen Freund hatte die Kleine sicher auch gehabt, einen Jungen, den ihre Eltern ablehnten. Laut Protokoll hatten die Vernons ausgesagt, es habe bei ihnen zu Hause keinen Ärger gegeben, keinen Familienstreit, nicht den geringsten Grund, warum Laura hätte weglaufen sollen. Aber sagten das betroffene Eltern nicht immer? In jeder Familie gab es Missverständnisse und Dinge, die niemand ahnte. Vor allem, wenn es sich um eine Familie handelte, der die nötige Zeit oder das Interesse fehlte, miteinander zu reden.
    Andererseits hatte Laura nichts zum Anziehen mitgenommen, kein Geld, keinerlei Habseligkeiten. Und sie war, wie erste Befragungen ergeben hatten, am Samstagabend dabei gesehen worden, wie sie am Rande des Baulk, eines ausgedehnten Waldgebietes, mit einem jungen Mann gesprochen hatte.
     
    Als Cooper auf dem Hügel unterhalb des Dorfes Moorhay angekommen war, hatte er sich daran erinnert, dass er schon einmal in Laura Vernons Elternhaus gewesen war. Es war das große weiße Haus, The Mount genannt, das, hinter den Bäumen verborgen, allein auf einem Geländevorsprung stand, oberhalb der Stelle, die von dem Suchtrupp durchkämmt wurde. Die Villa, die ursprünglich einem Bergwerksbesitzer

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