Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
dass es ihn am ganzen Körper juckte und er von winzigen schwarzen Fliegen geplagt wurde, die in dichten Wolken unter den Bäumen hingen und von seinem Schweißgeruch angezogen wurden.
    Alle Männer in der Reihe hielten eine Holzstange in der Hand, mit der sie das hohe Gras durchstöbern und Farne und Brombeerranken zur Seite schieben konnten. Die zertretenen Blätter rochen feucht und nach Erde, und Coopers braune Bergstiefel hatten sich bis weit über die Sohle hinauf dunkel verfärbt. Wenn er die Stange aus dem Unterholz zog, hingen Kletten daran, und kleine Raupen und Insekten klammerten sich an ihr fest. Alle paar Minuten musste er stehen bleiben, um sie auf dem Boden oder an einem Baumstamm abzuklopfen. Den anderen Männern in der Reihe erging es ebenso, und das dumpfe Klopfen und Schlagen begleitete die sporadisch aufkommenden Gespräche.
    Nach einiger Zeit tat Cooper vom gebückten Gehen der Nacken weh. Als die Reihe kurz anhielt, damit die Männer in der Mitte ein dichtes Brombeergestrüpp durchsuchen konnten, reckte er erleichtert den Hals und blickte nach oben über den Waldrand hinweg. Auf der anderen Seite des Tals erhob sich die Flanke von Win Low. Dort oben, auf den kahlen Felsnasen, die Witches – Hexen – genannt wurden, war es sicher wesentlich kühler. Bestimmt ging auf dem Gipfel ein frischer Westwind, ein Wind, bei dem man immer das Gefühl hatte, er käme direkt aus den walisischen Bergen und über die Cheshire-Ebene herübergeweht.
    Seit zwei Stunden ärgerte er sich nun schon, dass er nicht daran gedacht hatte, eine Kopfbedeckung mitzunehmen, um sich vor der Sonne zu schützen. Ausnahmsweise einmal beneidete er die uniformierten Kollegen weiter unten in der Reihe, die sich die dunklen Schirmmützen tief in die Stirn gezogen hatten und deren Abzeichen in der Sonne glänzten. Bei der Kriminalpolizei zu sein, hatte manchmal auch Nachteile.
    »Mann, was für eine Zeitverschwendung.«
    Der Police Constable neben Ben Cooper kam von der Dienststelle Matlock, ein angegrauter Landpolizist, der früher einmal Ambitionen gehabt hatte, sich zu einer Spezialeinheit nach Chesterfield versetzen zu lassen. Doch während die Spezialeinheit ein Stück weiter unten am Hügel im Einsatz war, direkt unterhalb der Villa, war PC Garnett zusammen mit dem Kripobeamten aus Edendale zu einer spontan zusammengewürfelten Suchmannschaft abkommandiert worden, der auch einige National Park Ranger angehörten. Man sah es seinem blauen Overall an, dass Garnett mehr Wert auf Bequemlichkeit legte als auf modisches Aussehen, und er hatte so wild mit seiner Stange herumgefuchtelt, dass die Kollegen nach und nach immer weiter von ihm abgerückt waren, um ihre Schienbeine vor ihm in Sicherheit zu bringen.
    »Meinen Sie?«
    »Aye, auf jeden Fall«, antwortete Garnett. »Die Kleine soll doch angeblich mit ihrem Freund durchgebrannt sein.«
    »Ach ja?«, sagte Cooper. »Davon weiß ich nichts. Bei der Einsatzbesprechung wurde nichts davon erwähnt. Nur, dass sie vermisst wird.«
    »Vermisst? Dass ich nicht lache. Verlassen Sie sich darauf, die treibt es mit irgendeinem pickeligen Knaben. Fünfzehn Jahre alt, was will man heutzutage schon anderes erwarten?«
    »Vielleicht haben Sie Recht. Trotzdem müssen wir der Sache nachgehen.«
    »Das kann ich Ihnen sagen, wenn sich eine von meinen beiden so was erlauben würde, würde ich sie umbringen.«
    Garnett drosch mit solcher Wut auf einen kleinen Holunderschössling ein, dass er in zwei Teile zerbrach, die zarten jungen Zweige auf die Erde fielen und klebriger Saft herauslief. Dann trat er auf den abgeknickten Stamm und rammte ihn mit seinem Polizeistiefel ins Gras. Falls irgendwelche zerbrechlichen Beweisstücke im Wald herumlagen, konnte Cooper nur hoffen, dass er sie fand, bevor Garnett in ihre Nähe kam.
    Doch dann sah er den Police Constable an und musste lächeln. Der Mann meinte es nicht böse. Er war nur ein gealterter Familienvater, dem jeder berufliche Ehrgeiz mit zunehmender Leibesfülle abhanden gekommen war, aber er war kein schlechter Mensch. Cooper konnte förmlich sehen, welche kleinen Alltagssorgen an Garnett nagten, angefangen von seinem zurückweichenden Haaransatz über die wiederkehrenden Kreuzschmerzen bis hin zur Höhe seiner Telefonrechnung.
    »Seien Sie froh um die Überstunden«, sagte er. »Die können wir alle gebrauchen.«
    »Ah, da haben Sie Recht, mein Junge. Wie wahr. Da braucht es schon einen Fall wie diesen, dass die Geizkrägen da oben mal ein paar

Weitere Kostenlose Bücher