Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
schüttelte sich ein paar Mal, und sie gingen weiter. Bald zeichnete sich vor ihnen im Dunkeln eine tiefschwarze Stelle ab.
    Cooper knipste die Taschenlampe aus und winkte Fry zu sich. Er wollte ihr etwas ins Ohr flüstern. Sie spürte seinen warmen Atem auf der nachtkühlen Haut.
    »Da ist die Hütte. Sie bleiben hier, während ich durch das Fenster sehe. Machen Sie ja kein Geräusch.«
    Fry wollte widersprechen, aber er brachte sie zum Schweigen. Dann schlich er auf die Hütte zu. Kurz darauf war seine Gestalt zwischen den dunklen Bäumen verschwunden, und sie war allein. Sofort trat ihr kalter Schweiß auf die Stirn. Sie fluchte im Stillen, denn sie wusste genau, was nun kommen würde.
     
    Sobald Diane allein war, rückte die Dunkelheit von allen Seiten näher. Wie eine schwere Decke senkte sie sich auf sie herab, presste sich gegen ihren Körper und erstickte sie mit ihrer warmen, klebrigen Umarmung. Die Dunkelheit war so schwer, dass sie ihr den Atem aus der Lunge presste, ihre Glieder lähmte und ihr jegliche Kraft aus den Muskeln zu saugen schien. Sie riss die Augen weit auf und lauschte angestrengt auf jedes kleine Geräusch aus dem Wald. Ihr Herz flatterte und raste, von der altbekannten Angst ergriffen.
    Rings um sie murmelte und tuschelte es in der Nacht, es trippelte und huschte, hunderte leiser Bewegungen, die immer näher heranzukriechen schienen, deutlich wahrzunehmen, aber nicht zu benennen. Ihre Haut kribbelte. Es war, als stünde sie in einem wimmelnden Ameisenhaufen und winzige Insekten krabbelten zu tausenden über ihren Körper, bis in die intimsten Körperöffnungen. Sie bekam eine Gänsehaut, und eine eisige Kälte drang ihr in die Knochen.
    Sie hatte immer gewusst, dass die Erinnerungen nicht verschwunden waren, dass sie jederzeit aus dem Dunkel hervorbrechen konnten, um nach ihren Händen und nach ihrem Gesicht zu greifen, um ihre Gedanken in Aufruhr zu versetzen und ihren Körper erstarren zu lassen. Verzweifelt versuchte sie, die dunklen Schemen zu zählen, die sie umlauerten, die verschwommenen Silhouetten zu erkennen, die immer näher rückten, die sich schon anschickten, ihr die Zähne in den Hals zu schlagen und ihr die Luft abzudrücken.
    Und dann war es ihr, als hörte sie im Dunkeln eine Stimme. Eine Stimme, die sie kannte, ein derber, nuschelnder Birminghamer Akzent. »Sie ist ein Bulle«, sagte die Stimme. Höhnisches Gelächter, das sich von einem Schatten auf den anderen übertrug. Wie eine Wand ragte die Bedrohung um sie auf, und wohin sie sich auch drehte und wendete, es gab keinen Ausweg. »Ein Bulle. Die Alte ist eine Bullensau.«
     
    Das Licht fiel in ihr Gesicht und blendete sie. Sie wusste, dass hinter dem Licht ein Mensch war, aber sie konnte seine Augen nicht erkennen. Automatisch spannte sie alle Muskeln an, die Hände ballten sich zu Fäusten, die Fingerknöchel stachen hervor, die Daumen pressten sich über die Finger, die Beine stemmten sich fest auf den Boden. Konzentration. Adrenalin in die Muskeln. Zum Angriff bereit.
    »Alles in Ordnung?«
    Eine besorgte Stimme, ein nördlicher Dialekt. Flüsternd. Ungefährlich. Fry entspannte die Muskeln. Allmählich kam sie wieder zu sich, und dann wusste sie auch wieder, wo sie war, in einem Wald in Derbyshire, viele Kilometer von Birmingham entfernt. Das Grauen lag schon Monate hinter ihr, nur die seelischen Wunden lagen noch offen und taten jedes Mal weh, wenn der kalte Wind der Erinnerung darüber streifte. Sie atmete tief ein, mit schmerzender Lunge.
    Cooper beugte sich vor, sodass ihre Gesichter nur eine Handbreit voneinander entfernt waren. »Alles in Ordnung, Diane?«
    Instinktiv streckte sie die Hand nach ihm aus, wie ein Kind, das sich in eine liebevolle, schützende Umarmung flüchten wollte. Als sie seine Kraft und seine tröstliche Wärme spürte, schloss sie die Augen und kostete das flüchtige Gefühl von Zärtlichkeit und Zuneigung aus. Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wie es war, einem anderen Menschen so nahe zu sein. Sie hatte sich schon lange nicht mehr gewünscht, in den Arm genommen und getröstet zu werden. Seit einer Ewigkeit hatte es niemanden mehr gegeben, der ihr die Tränen abwischte.
    »Was fehlt Ihnen?«
    Fry zog die Hand zurück, blinzelte die Tränen weg und richtete sich auf. Kontrolle und Konzentration, das war es, was sie brauchte. Sie atmete ein paar Mal tief durch, bis ihr Herz wieder normal schlug. Kontrolle und Konzentration.
    »Nichts, Ben. Haben Sie etwas gesehen?«
    »Er ist

Weitere Kostenlose Bücher