Kühlfach betreten verboten
die Luft raus wie ein Reifen mit einem Nagelproblem, drückte die geballten Fäuste in die Taschenseiner Jeans und drehte die Augen zum Himmel. »Das müssen Sie sie schon selbst fragen.«
»Wir fragen dich.« Oh Mann, hatte Gregor seinen Text aus dem letzten Fernsehkrimi?
»Keine Ahnung. Eines Tages fing sie an rumzuzicken. Hatte plötzlich an allem was auszusetzen. Ich hab sie echt gern gehabt, aber irgendwann habe ich mal zurückgezickt, und das war’s dann.«
Er blickte wieder Jenny an, die ihr Pokerface immer noch nicht wiedergefunden hatte. Als ihre Blicke sich kreuzten, schlug sie schnell die Augen nieder.
»Woran hatte sie plötzlich etwas auszusetzen?«, fragte Gregor.
»Ach, lauter blödes Zeug.«
Gregor blickte ihn auffordernd an.
»Sie war plötzlich Vegetarierin geworden und meinte, ich dürfe jetzt auch keine Tiere mehr essen. Dann passten ihr meine Klamotten nicht mehr, weil Markenartikel die sozialen Ungerechtigkeiten fördern. Und dass wir in einem großen Haus leben, störte sie auch. Sie faselte was von Kapitalismus und Umverteilung und dass wir mit unserer Villa der Inbegriff des satten, ausbeuterischen Bürgertums seien, das humanistische Werte predigte, aber eigentlich an den Zuständen der zunehmenden sozialen Kälte gar nichts ändern wolle.«
Häh? Hatte ich aus Versehen den politischen Sabbelfunk im Ohr? Der Kerl quatschte ja ganze Manifeste in lupenreinem Druckdeutsch daher. Jenny starrte den Kerl fasziniert an und selbst Gregor war kurzzeitig aus dem Tritt gekommen mit seinem ›Tatort‹-Text. Dann sammelte wenigstens er sich wieder.
»Und, stimmte das?«
»Wie man es nimmt«, sagte Dominic mit einem Achselzucken und einem schiefen Grinsen im Gesicht. »MeinVater und ich leben in einer großen Villa. Der Rest ist Quatsch. Mein Vater ist ein Hunger leidender, intellektueller Linker, dem die Bude, in der wir da leben, nicht einmal gehört.«
»Alle diese Kritikpunkte, die du gerade genannt hast, klingen eher nach vorgeschobenen Gründen als nach dem Kern der Sache«, warf Jenny plötzlich ein. Sie schien zu ihrer professionellen Form zurückgefunden zu haben. »Was glaubst du, welcher Grund wirklich dahintersteckt, dass Yasemin ihr Verhalten dir gegenüber verändert hat?«
Dominic ließ die Schultern sacken und blickte zu Boden. »Vielleicht hat sie zu Hause Stress gekriegt. Sie war immerhin in einem Alter, in dem die Eltern von türkischen Mädchen sich langsam Gedanken darüber machen, mit wem sie die Tochter verheiraten könnten.«
»Hat sie jemals eine derartige Bemerkung gemacht?«, fragte Jenny interessiert.
Dominic schüttelte den Kopf. »Nein, sie nicht. Aber Mehmet hat mal so eine Andeutung gemacht.«
»Ihr Bruder?«, vergewisserte Gregor sich.
»Yep.«
»Hast du eine Ahnung, wo Mehmet abgeblieben sein könnte?«, fragte Gregor.
»Abgeblieben?«, fragte Dominic irritiert.
»Genau«, sagte Gregor. »Mehmet ist verschwunden.«
Sie faselten eine Weile über Mehmet, über dessen Verbleib Dominic auch nichts wusste, über den er sich aber, wenn man meine Meinung hören will, mindestens genauso viel Sorgen machte, wie über seine Exhexe, dann durfte Dominic wieder mit seinen Klassenkameraden spielen gehen.
Wenn ich das mal zusammenfassen soll, dann war der Schönling der absolute Nullchecker. Er wusste nicht, warum seine Schnecke ihn abserviert hat, er wusste nicht, woihr Bruder abgeblieben ist, und er hatte auch nicht kapiert, dass er gerade als Zeuge in einem Mordfall verhört worden war.
Gregor und Jenny blieben noch eine Weile neben dem Hochseilgarten stehen und beobachteten die Kids, die mit mehr oder weniger Begeisterung Strippen zogen oder sich in luftigen Höhen auf ihre Stresstauglichkeit testen ließen. Eins war auch jetzt wieder klar: Der coolste von allen war Dominic. Die Perlhühner flogen auf ihn, zum Teil im wahrsten Wortsinn. Mehr als einmal stolperte eine Tussi im Landeanflug geradewegs in Dominics starke Arme, wobei die Flugdrachen mehr oder weniger Geschick darin zeigten, es nach einer unbeabsichtigten Panne aussehen zu lassen.
Was sagte uns das über Yasemin, wenn sie, die kleine Türkin, mit dem angesagtesten Typ der Schule ging? Oder gegangen war und ihn dann abserviert hatte? Ich überlegte einen Moment, kam aber auf keine neue Erkenntnis, denn dass sie gut genug ausgesehen hatte, um Mister Cool zu gefallen, das war bereits bekannt. Damit waren wir jetzt also auch nicht weiter als vorher.
Tatsache war, dass all dieser
Weitere Kostenlose Bücher