Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
Zwergenfront Ungemach drohte, daher begab ich mich schnell zurück zur Klinik. Die Lage war unverändert: Die körperlichen Hüllen der Kids in den Betten, mehr oder weniger Familienangehörige drum herum, aber von den Seelchen keine Spur. Stattdessen hatte ich den Eindruck von ganz entfernten Schwingungen… Es ist wie ein ganz weit entferntes Rufen. Man kann ungefähr die Richtung bestimmen, aber man kann keine Worte verstehen. Ich stieg über der Uniklinik senkrecht in die Luft, um einen größeren Überblick zu haben. Ich hatte mich nicht getäuscht, der Flohzirkus geisterte nördlich von mir herum. Ich schlug die Richtung ein und düste los. Je näher ich kam, desto schneller wurde ich, denn das, was mir da entgegenwehte, stank gehörig nach Ärger.
    Niclas wirbelte in einer rot glühenden Wolke mitten in einem Internetcafé herum und kreischte wie eine nackte Felge auf dem Bremsenprüfstand. An den Computerplätzenunter ihm saßen Mukos und rauften sich die Haare. Am Tresen, an dem üblicherweise ein gelangweilter Türke sitzt und Gebühren kassiert, standen drei aufgelöste Gelköpfe und brüllten sich gegenseitig an. Jo, Edi und Bülent kreisten um Niclas und brüllten (Bülent und Edi) oder redeten (Jo) auf ihn ein.
    Ich betrachtete die Szene eine Zeit lang gespannt. Für die, die sich mit der Subkultur der Computerspielfreaks nicht auskennen, muss ich erst mal erklären, was in diesen Internetcafés abläuft. Also, es mag Leute geben, die in so einem Laden ins Internet gehen, die Wettervorhersage oder ihre E-Mails checken, fünfzig Cent bezahlen und zufrieden nach Hause dackeln.
    Die trifft man aber nicht in den Läden, deren Schaufenster zugeklebt und deren Beleuchtung so spärlich ist, dass man meint, der Besitzer hätte die letzte Stromrechnung nicht bezahlt. In diesen Läden sitzen Gelköpfe mit zittrigen Fingern und ballern sich gegenseitig ins Nirwana oder fahren in Rennsimulationen gegeneinander Autorennen, bei denen grundsätzlich mehr Karren explodieren als bei ›Fast & Furious 1   –   5‹ zusammen. Sicher gibt es auch kanakische Varianten von diesen Spielen, in denen die Feinde nicht mit Turban auftauchen, sondern mit dem Sternenbanner auf der Schulterklappe, aber die wird man selten zu Gesicht bekommen, weil man in die Internethöhlen, in denen sie zum Standard gehören, gar nicht erst reingeht, wenn man am Leben hängt.
    In dieser Höhle gab es tatsächlich Amiklatscher-Software. Wer hier auf den Auslöser drückte, ballerte reihenweise Schwarzenegger-Klone in die unendlichen Weiten des Universums.
    Und in dieser Terroristenhöhle blockierte Niclas alle Wireless-Verbindungen.
    Alle Achtung, der Kerl hatte es echt drauf. Und er hattesich ein krasses Ziel ausgesucht. Unter den heißblütigen Knoblauchfressern brach fast ein Echtweltkrieg aus, weil einige Schmierköpfe aus dem Spiel gekickt wurden, während andere galaktische Scores erreichten. Und Niclas ließ nicht nach. Er wirbelte kreischend und Funken sprühend herum und ließ sich von nichts und niemandem bremsen. Allerdings würde er irgendwann aufhören müssen, denn die elektronische Manipulation ist sehr anstrengend. Es ist, als ob die Energie, die man in das Störmanöver steckt, nicht mehr zur Verfügung steht, um sich selbst zusammenzuhalten. Entweder hört man rechtzeitig auf, oder irgendwann macht es Puff oder Plopp und man ist weg.
    Zumindest glaube ich das. Ausprobiert habe ich es, logischerweise, noch nicht.
    »Stimmt das etwa?«, brüllte Edi mich plötzlich an. Aha, meine Anwesenheit war bemerkt worden von der einen, die noch nicht völlig durch den Wind war. »Dann tu was, sonst ist er nachher weg!«
    »Ist doch klasse, wenn er weg ist«, brüllte Bülent dazwischen. »Er hat was gegen Ausländer.«
    »Da hat er recht«, sagte ich, noch unentschieden, ob ich wirklich eingreifen sollte.
    »Wir sollten zusammenhalten«, sagte Jo mühsam beherrscht. Seine Stimme zitterte, ob vor Wut oder Angst oder Aufregung konnte ich nicht feststellen.
    »Der fängt immer Streit an«, knurrte Bülent. »Also ist er selbst schuld.«
    »Wir sollten Niclas noch eine Chance geben«, sagte Edi. »Bitte, Pascha, mach, dass er nicht weg ist.«
    Bülent schüttelte den Kopf und verzog sich schmollend in eine Ecke, Jo und Edi klebten wie Taubendreck an mir und bettelten mich an, dem rasenden Wutwirbel Einhalt zu gebieten. Aber wie? Hatte ich vielleicht die Weisheit gefressen? Würde der Typ mich mit ins Nichts katapultieren,wenn er während meiner

Weitere Kostenlose Bücher