Kühlfach vier
wusste,
wer mich umgebracht hatte, und ich fand, dass ich eine gewisse Berechtigung dazu hatte. Natürlich war es schade für Martin,
dass ich gerade zu ihm und leider nur zu ihm Kontakt aufnehmen konnte, aber schade war es auch für mich. Ich hätte gern einen
etwas mutigeren Helfer genommen. Oder einen weiblichen. Birgit. Oder Katrin. Aber ich war ja mit einem Entenfahrer geschlagen.
Einem Dufflecoatträger. Teetrinker. Kommagärtner. Stadtplansammler. Vermutlich auch noch Müsliesser, Grabstellenpfleger und
Sockenstopfer. Womit hatte ich das verdient?
»Die Sache belastet dich wirklich sehr, nicht wahr?«, fragte Birgit und legte Martin die Hand an die Wange. Ich konnte spüren,
wie Martin das Herz aufging. Bei mir wär’s das Messer in der Hose gewesen, aber mein liebes Martinsgänschen war da etwas anders
gestrickt.
»Sollen wir irgendwo etwas essen gehen?«, schlug sie vor.
Martin schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber ich bin heute wirklich zu nichts zu gebrauchen.«
Birgit war eine gute Verliererin. »Dann mache ich mich |84| mal auf den Heimweg. Aber die Einladung zum Abendessen ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.«
Einladung! Was emanzipierten Weibern alles einfiel. Vielleicht hätte ich mir doch mal so eine moderne Mieze suchen sollen.
Wenn die sogar ihr Essen selbst bezahlen … Sie ging, Martin machte sich ein Brot mit einer popelgrünen, vegetarischen Brotaufstrichpaste
und brachte es tatsächlich über sich, das Zeug zu essen. Aber jemand, der sein Geld damit verdient, Leichen zu zerlegen, der
ist wohl wirklich vor gar nix fies. Ich sah mich ein bisschen in der Wohnung um, stellte fest, dass die Einrichtung überall
modern und ein bisschen asiatisch angehaucht war und dass im Schlafzimmer kein Fernseher stand. Stattdessen: Ein Trimmfahrrad.
Igitt, wie gesund!
Martin hatte den Fernseher im Wohnzimmer eingeschaltet und sah Nachrichten.
»Schalt mal um«, forderte ich ihn auf.
Martin ließ vor Schreck die Fernbedienung fallen. Er hatte mich gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt.
»Du bist immer noch hier?«
»Wär’s dir lieber gewesen, ich wäre mit Birgit gegangen? – Jetzt schalt endlich um!«
»Wohin denn?«
»Egal, bloß keine Nachrichten. Dabei penne ich immer ein.«
»Das soll mir recht sein.«
Er glotzte weiter Nachrichten, war aber nicht ganz bei der Sache.
»Wir sollten Pablo suchen und mit ihm reden«, schlug ich vor. Wenn es schon kein vernünftiges Fernsehprogramm gab, konnten
wir auch noch ein bisschen ermitteln.
|85| »Ich werde mit Sicherheit jetzt nicht im Dunkeln nach einem Dealer suchen, von dem allgemein angenommen wird, dass er ein
Mörder ist«, entgegnete Martin.
Auf dem Bildschirm erschienen irgendwelche Kriegsszenen, und ich fragte mich mal wieder, wieso die Reporter jeden Tag ihr
Leben riskierten, um diese blöden Bilder zu drehen. Es sah seit Jahr und Tag immer gleich aus, wie die Leute sich gegenseitig
abmurksten. Zugegeben, mal hatten die Beteiligten Schlitzaugen oder schwarze Haut, mal waren die Uniformen beige, mal braun,
mal grün, aber im Grunde waren die Szenen immer dieselben. Ich hatte es schon lange aufgegeben, mir diesen Schwachsinn anzusehen.
»Birgit meint auch, dass du die Sache nicht einfach schleifen lassen sollst«, erinnerte ich ihn.
»Lass Birgit aus dem Spiel.«
»Du hast ihr die Geschichte erzählt, nicht ich«, stellte ich klar.
»Ich habe Feierabend«, murrte Martin. Seine Popelpastenstulle hatte er inzwischen verputzt.
»Zum Glück hast du Feierabend, denn während deiner Arbeitszeit kannst du ja schlecht ermitteln«, entgegnete ich.
»Keine Jagd auf Dealer«, beharrte Martin.
Ich dachte einen Augenblick nach.
»Mir ist eingefallen, dass vielleicht auch Mehmet als mein Mörder in Frage kommt«, sagte ich.
»Wer ist Mehmet?«, fragte Martin.
»Der von der Spielhalle, dem ich Geld schulde.«
»Aha.«
»Eine Spielhalle ist ein äußerst sicherer Ort«, stellte ich klar.
|86| »Haha.«
»Und Mehmet ist ein echt netter Typ.«
Martin schloss die Augen, stützte den Kopf in die Hände, verharrte einen Moment so und schaltete dann den Fernseher aus. »Also,
wo ist diese Spielhalle?«
Ich lotste ihn durch den Verkehr, leitete ihn in die Nebenstraße, in der ich immer geparkt hatte, und empfahl ihm, das Auto
hier abzustellen. Er hatte Sicherheitsbedenken.
»Meiner Karre ist nie was passiert«, sagte ich.
»Was für ein Auto hattest du denn?«, fragte er.
»Einen
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