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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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ein Tofuwürstchen in den Napf geschnipselt hat.
    »Tut mir leid«, sagte die Frau und es klang, als meinte sie es so. »Wünsche ich dir viel Glück.« Damit war für sie die Sache
     erledigt.
    Martin steckte die Zeichnung wieder ein, dankte nochmals höflich und ging weiter.
    »Wie kann sie das bei der Kälte aushalten, so halb nackt?«, fragte er mich.
    Da hatte er natürlich den Falschen erwischt, denn ich habe die Temperaturreaktionen von Weibern noch nie verstanden. Ist es
     angenehm warm, schieben sie dir eiskalte Füße unter die Bettdecke und legen dir ihre Hand, in der sie die letzten fünf Stunden
     Eiswürfel gehalten haben müssen, auf den Bauch. Wenn du auch nur zuckst, maulen sie, dass Männer einfach nicht kuscheln können.
     Können Männer. Wollen sie auch. Aber nicht mit Eiswürfeln.
    Andererseits gehen die Weiber im tiefsten Winter bauchfrei, mit kurzem Rock und in lächerlichen Erfindungen, die sie »Schuhe«
     nennen, bei Eis und Schnee auf die Straße und wehren sich mit Händen und Füßen gegen Socken, warme Jacken oder – Gott bewahre
     – Mützen! Mir wär ja egal, wenn die Weiber frieren, aber am Ende kommt immer ’ne Blasenentzündung dabei raus und dann gibt’s
     wieder eine Woche lang keinen Sex. Ist alles ganz einfach, medizinisches Basiswissen, für das man nicht studieren muss, aber
     diese Zusammenhänge schnallen die Mädels einfach nicht. Wir hingen beide noch kurz unseren Gedanken nach |128| und suchten weitere Opfer für unsere Befragung. Wir fanden sie in Kiosken, Spielhallen – obwohl Martin eine gewisse antrainierte
     Scheu zeigte, die Casinos des kleinen Mannes zu betreten – in Steh-Imbissen, Restaurants, Kneipen, Bars und beim Türsteher
     eines Nachtklubs. Die Gespräche ähnelten sich alle mehr oder weniger bis auf eins, das aus dem Rahmen fiel.
    Es war der bereits oben erwähnte Türsteher des Nachtklubs, den Martin, inzwischen mit deutlichen Spuren fortgeschrittener
     Müdigkeit im Gesicht, mit der Zeichnung konfrontierte.
    »Ich bin keine Auskunftei, mein Freund«, sagte der Schwarze Riese, dessen glatt rasierter Schädel in einem glibbergrünen Schimmer
     erstrahlte, weil sich die Leuchtreklame des Klubs darauf spiegelte.
    Bei Männern über einsneunzig oder unter einssiebzig, die dich »mein Freund« nennen, ist übrigens erhöhte Vorsicht angesagt,
     deshalb gingen bei mir sofort alle Warnlampen an.
    »Ich bitte Sie wirklich nur ungern um diesen Gefallen, aber ich muss wissen, wie sie heißt und wo sie wohnt«, sagte Martin.
     Seinem Tonfall war inzwischen eine deutliche Erschöpfung und eine gewisse Resignation anzuhören. Überhaupt hatte ich ihn nur
     mit Mühe und Not immer wieder überreden können, weiterzumachen. Dieser hier sollte unser letzter Zeuge sein.
    »Warum suchst du sie denn, mein Freund?«, fragte der Schwarze Riese.
    Ich hatte im Verlauf des Abends festgestellt, dass meine Position als unbeteiligter Beobachter ungeahnte Vorteile mit sich
     brachte. Bisher hatte ich meine Körperlosigkeit |129| als stark belastend empfunden, wie ein Psycho das vermutlich formuliert hätte. Dass ich nicht wahrgenommen wurde, hatte während
     der zahllosen Gespräche, die Martin führte, jedoch auch Vorteile. Ich achtete viel mehr darauf, was »zwischen den Zeilen«
     gesagt wurde. Meistens war da ja nicht viel, außer die Überlegung, ob eine Auskunft Geld bringen könnte.
    Während Martin also seinen Spruch von der Supermarktkasse herunterleierte, schrillten bei mir plötzlich die Warnglocken. Der
     Türsteher machte zwar keinen sehr leutseligen Eindruck, strahlte aber auch keine offene Brutalität aus. Trotzdem ging von
     ihm etwas Bedrohliches aus. Ich hatte den Eindruck, der Typ wusste mehr, als er uns sagte. »Martin«, rief ich, »der weiß was.«
    Martin reagierte prompt.
    »Sind Sie sicher, dass Sie die Frau nicht schon einmal gesehen haben?«, fragte er nach. »Es ist wirklich unheimlich wichtig
     für mich.«
    »Wenn ich Nein sage, gilt das für die erste, zweite und dritte gleichlautende Frage«, sagte der Türsteher. Er parlierte, als
     hätte er eine geisteswissenschaftliche Bildung genossen. Hatte er vielleicht auch. Es gibt ja auch Barkeeper mit Doktortitel
     und Taxifahrer mit Professur!
    »Sie spricht vielleicht kein Deutsch«, sagte Martin, als habe er den Einwand gar nicht gehört.
    Der Schwarze Riese schwieg.
    »Ich bin sicher, dass Sie mehr wissen, als Sie mir sagen wollen«, sagte Martin.
    »Und ich bin sicher, dass du jetzt von hier

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