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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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kotzen, Blut pissen und deine nächsten sechs Gehälter zum Zahnarzt überweisen.«
    Er zögerte, war jetzt aber auch schon ziemlich nah. Inzwischen hatten sich vier große Jungs umgedreht und beobachteten ihn.
     Martin blickte weiter starr vor sich auf den Boden. Ich spürte, dass er langsam in Panik geriet.
    »Hau ab!«, rief ich noch mal. »Jetzt!«
    Martin bückte sich, langte mit der rechten Hand in den Dreck, richtete sich wieder auf, murmelte ein freundliches »hatte meinen
     Knopf verloren« in Richtung der großen Jungs, drehte sich um und begann wieder zu atmen. Flach und hektisch, aber immerhin.
     Luft rein, Luft raus, was man halt so macht, wenn einem nicht vor lauter Panik die Lunge zusammenklebt wie ein vakuumierter
     Gefrierbeutel.
    Martin ging den gleichen Weg, den er vor zwei Minuten schon mit weichen Knien zurückgelegt hatte, noch mal. Diesmal war es
     ein physikalisches oder physisches oder egal was für eins, jedenfalls ein Wunder, dass er zu dieser Art der Fortbewegung überhaupt
     noch in der Lage war.
     
    |125| Da hatten wir aber auch gleich zu Beginn unserer Ermittlungen Pech gehabt. Solch unfreundliche Gesellen, wie Martin die gelackten
     Arschlöcher vermutlich nennen würde, gab es zwar überall, aber sie waren nicht unbedingt die größte Gruppe – nur die lauteste.
     Im weiteren Verlauf des Abends nahm die Aggressivität ab, das schon mal vorweg. Viel leichter wurde es für Martin nicht, denn
     unsere nächste Begegnung war mit einer Professionellen.
    »Guten Abend«, grüßte Martin freundlich.
    Ich fing schon an zu grinsen, bevor er ganz ausgesprochen hatte.
    »Na, Süßer, was kann ich für dich tun?«, fragte die Frau, deren Gesicht in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. Ich glaube
     nach wie vor, dass das vorteilhaft war. Ihr Akzent war so stark, dass man einen Augenblick überlegen musste, ob sie überhaupt
     Deutsch sprach. Außerdem leierte sie die Worte herunter, als hätte sie sie auswendig gelernt. Stimmte wahrscheinlich. Wie
     viele Sätze braucht eine Nutte schon für ihr Geschäftsmodell? Vier oder fünf? Das würden wir ja vermutlich gleich hören.
    »Ich bin auf der Suche nach einer Frau«, sagte Martin, und natürlich, das können Sie sich schon denken, gab diese Formulierung
     auch in dieser Situation Anlass zu einem klitzekleinen Missverständnis.
    »Hast du Frau gefunden, Süßer«, gurrte das Weib.
    Martin war durch die unerwartete Antwort ein bisschen aus dem Konzept gebracht, daher stutzte er und betrachtete die Frau
     etwas aufmerksamer als bisher. Er ließ seinen leicht ungläubigen Blick abwärts wandern und musterte ihre Kleidung mit zunehmender
     Fassungslosigkeit. Kleidung ist natürlich schon zu viel gesagt. Sie trug ein leicht |126| fadenscheiniges bauchfreies Spaghettiträgertop aus Kunstpelz, das den Eindruck erweckte, sie säuge ein räudiges Tier, und
     eine Art überdehnten Pulswärmer dort, wo eine anständige Frau einen Rock getragen hätte. Am großzügigsten bemessen waren ihre
     Stiefel, die bis über die Knie reichten. Einen Heizwert hatte das dünne, an vielen Stellen schon brüchige schwarze Lackleder
     aber sicher auch nicht.
    »Sagen Sie mal, ist Ihnen nicht kalt?«, fragte Martin übergangslos.
    »Willst du mich wärrrmen?«, gurrte sie.
    »Äh, …« Martin brach ab. Natürlich wollte er sie nicht wärmen, aber er wollte auch nicht unhöflich sein und einfach »Nein«
     sagen. Ein Mann mit Umgangsformen hat’s nicht leicht!
    Er zog eine weitere Kopie der Zeichnung aus der Tasche und hielt sie der Frau entgegen.
    »Ich suche diese Frau.«
    »Ich kann sein für dich jede Frau von Welt. Freundin, Lehrerin, Mama, was du willst.«
    Entweder hatte die Dame in ihrem Gewerbe häufig mit Männern zu tun, für die sie eine gewisse Rolle spielen sollte, oder ihr
     Deutsch war deutlich besser, als ich erwartet hatte.
    »Nein, das ist ein Missverständnis«, erklärte Martin unverdrossen. »Ich suche genau diese Frau. Kennen Sie sie?«
    Sie blinzelte die Zeichnung an, griff danach und hielt sie sich in ungefähr zwei Zentimeter Abstand vor die Pupillen. Blind
     wie ein Fisch. Ist in dem Gewerbe vielleicht von Vorteil, dachte ich mir. Schließlich sind nicht alle Freier, die auf Nutten
     mit schwarzen Stiefeln stehen, so süß wie Richard Gere.
    |127| »Nein«, sagte sie und gab das Blatt zurück. »Kommst du doch mit mir.«
    »Ich suche genau diese Frau, es ist ganz wichtig«, sagte Martin und blickte dabei so traurig wie ein Hund, dem man gerade
    

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