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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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berühmten Berija-Amnestie von 1953 . Dieser Einschätzung und Krylenkows »Gummiband« und der berüchtigten »Umschmiedung« wurden viele Hunderttausende unglücklicher Menschen geopfert.
    Auf jener ersten Versammlung bot Djukow an, eine Brigade von Artikel-58ern unter seine Leitung zu nehmen – gewöhnlich war der Brigadier der Politischen einer von ihnen. Djukow war kein übler Kerl. Er wusste, dass die Bauern im Lager ausgezeichnet, besser als alle anderen arbeiten, und wusste auch, dass Artikel 58 bei den Bauern sehr häufig war. Darin muss man eine besondere Weisheit Jeshows und Berijas sehen, die verstanden hatten, dass der Arbeitswert der Intelligenz außerordentlich gering ist und sie also die Produktionsaufgabe des Lagers nicht erfüllen können, im Unterschied zur politischen Aufgabe. Aber Djukow ließ sich auf so komplexe Erwägungen nicht ein, er hatte wohl kaum etwas im Sinn als die Arbeitsfähigkeit der Leute. Er stellte seine Brigade zusammen – ausschließlich aus Bauern – und ging an die Arbeit. Das war im Frühjahr 1938. Djukows Bauern hatten den ganzen Hungerwinter 1937/38 mitgemacht. Er ging mit seinen Leuten nicht ins Badehaus, sonst hätte er längst verstanden, was los war.
    Sie arbeiteten nicht übel, und man musste sie nur besser ernähren. Doch diese Bitte wurde Djukow von der Leitung in schroffster Weise abgeschlagen. Die hungernde Brigade produzierte heroisch die Norm, sie arbeitete mit großer Mühe. Von nun an wurde Djukow betrogen: von den Vermessern, den Abrechnern, den Aufsehern, den Einsatzleitern; er beschwerte sich, protestierte immer schärfer und schärfer, die Produktion der Brigade sank und sank, die Ernährung wurde immer schlechter. Djukow versuchte, sich an die hohen Natschalniks zu wenden, aber die hohen Natschalniks rieten den entsprechenden Mitarbeitern, die Brigade Djukow gemeinsam mit ihrem Brigadier auf eine bestimmte Liste zu setzen. Das taten sie, und alle wurden in der berühmten Serpantinnaja erschossen.
    Tot ist Pawel Michajlowitsch Chwostow. Das Schlimmste an hungernden Menschen ist ihr Verhalten. Alles ist wie bei Gesunden, und trotzdem sind sie Halbverrückte. Hungernde kämpfen immer verbissen um Gerechtigkeit – wenn sie nicht zu hungrig, nicht allzu ausgezehrt sind. Sie sind ewige Streithähne, verzweifelte Raufbolde. Gewöhnlich treibt nur ein Tausendstel von miteinander heftigst Streitenden die Sache bis zur Prügelei. Hungernde prügeln sich ständig. Der Streit bricht zu den tollsten, überraschendsten Anlässen aus: »Warum hast du meine Hacke genommen?, stehst du auf meinem Platz?« Die Kleingewachsenen, Kurzen legen es darauf an, dem Gegner ein Bein zu stellen und ihn zu Fall zu bringen. Die Größeren – sich auf den Feind zu werfen und ihn mit dem eigenen Gewicht zu Fall zu bringen, und dann wird gekratzt, geschlagen, gebissen … All das kraftlos, nicht schmerzhaft, nicht tödlich – und zu oft, als dass sich die Umgebung dafür interessieren würde. Raufende werden nicht getrennt.
    So einer war Chwostow. Er prügelte sich jeden Tag mit irgendwem – in der Baracke und in dem tiefen Ableitungsgraben, den unsere Brigade schaufelte. Er war für mich ein Winterbekannter – ich hatte noch nie seine Haare gesehen. Er trug eine Ohrenklappenmütze mit zerrissenem weißen Fell. Und die Augen waren dunkel, glänzende Hungeraugen. Ich rezitierte manchmal Gedichte, und er sah mich an wie einen Verrückten.
    Plötzlich fing er an, verzweifelt mit der Hacke auf den Stein des Grabens zu schlagen. Die Hacke war schwer. Chwostow schlug mit aller Wucht, schlug fast ohne Pause. Ich staunte über diese Kraft. Wir waren schon lange zusammen, hungerten schon lange. Dann fiel die Hacke klirrend hin. Ich sah mich um. Chwostow stand, die Beine gespreizt, und schwankte. Seine Knie knickten ein. Er schwankte und fiel aufs Gesicht. Er streckte die Hände weit vor – in den Handschuhen, die er jeden Abend selbst stopfte. Die Arme schauten heraus – beide Unterarme waren tätowiert. Pawel Michajlowitsch war Kapitän auf großer Fahrt.
    Roman Romanowitsch Romanow starb vor meinen Augen. Irgendwann war er bei uns etwas wie Kompaniechef gewesen: er gab die Päckchen aus, sorgte für Sauberkeit in der Lagerzone, kurz, er war in einer privilegierten Stellung, von der niemand von uns, Artikel-58er oder »
litjorki
« , wie die Ganoven sagten, oder »
literniki
«, wie die obersten Lagerfunktionäre dieses Wort aussprachen, auch nur träumen konnte. Der Gipfel unserer

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