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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Komsomol, der Kamerad, der mir half, einen großen Stein aus dem engen Schurf hinauszubefördern, der Brigadier, wurde erschossen für Nichterfüllung des Plans auf dem Abschnitt, auf dem seine Brigade arbeitete, aufgrund des Rapports des jungen Abschnittschefs, des jungen Kommunisten Arm; dieser bekam einen Orden für das Jahr 1938 und wurde später Bergwerkschef, Verwaltungschef – Arm machte große Karriere. Nikolaj Kasimirowitsch Barbe besaß einen sorgfältig gehüteten Gegenstand, einen Kamelhaarschal, einen blauen langen warmen Schal aus echter Wolle. Den stahlen ihm im Badehaus die Diebe – als Barbe sich umdrehte, nahmen sie ihn einfach weg, und basta. Und am folgenden Tag holte sich Barbe Erfrierungen an den Wangen, starke Erfrierungen – bis zu seinem Tod heilten die Geschwüre nicht mehr ab …
    Tot ist Ioska Rjutin. Er war mein Partner bei der Arbeit – die Arbeiter wollten mit mir nicht arbeiten. Aber Ioska arbeitete mit mir. Er war viel stärker und geschickter als ich. Aber er wusste genau, warum man uns hierher gebracht hatte. Und nahm mir nicht übel, dass ich schlecht arbeitete. Schließlich befahl der Oberinspektor – so hießen die Dienstgrade im Bergbau tatsächlich im Jahr 1937, wie zur Zarenzeit –, mir eine »Einzelschicht« zu geben; was das ist, wird an anderer Stelle erzählt. Und Ioska war Partner von jemand anderem. Aber unsere Plätze in der Baracke lagen nebeneinander, und ich wurde sofort wach von einer linkischen Bewegung, die jemand in Leder, nach Hammel Riechender machte; dieser Jemand, der mir im engen Durchgang zwischen den Pritschen den Rücken zukehrte, weckte meinen Nachbarn:
    »Rjutin? Anziehen.«
    Und Ioska zog sich eilig an, und der nach Hammel Riechende durchsuchte seine wenigen Sachen. Unter dem Wenigen fand sich ein Schachspiel, und der Ledermann legte es beiseite.
    »Das gehört mir«, sagte Rjutin eilig. »Mein Eigentum. Ich habe Geld bezahlt.«
    »Na und?«, sagte das Schaffell.
    »Lassen Sie es mir.«
    Das Schaffell lachte auf. Und als es ausgelacht und sich das Gesicht mit dem Lederärmel abgewischt hatte, erklärte es:
    »Du brauchst es nicht mehr …«
    Tot ist Dmitrij Nikolajewitsch Orlow, der ehemalige Referent Kirows. Mit ihm habe ich Brennholz gesägt in der Nachtschicht im Bergwerk, und am Tag, als Besitzer einer Säge, arbeiteten wir in der Bäckerei. Ich erinnere mich gut, mit welch kritischem Blick uns der Werkzeug- und Lagerverwalter taxierte, als er die Säge ausgab, eine gewöhnliche Quersäge.
    »So, Alter«, sagte der Werkzeugwart. Wir alle wurden damals Alte genannt – nicht erst zwanzig Jahre später. »Kannst du die Säge schärfen?«
    »Natürlich«, sagte Orlow schnell. »Gibt es eine Schränkzange?«
    »Du nimmst zum Schränken ein Beil«, sagte der Werkzeugwart, der in uns schon erfahrene Leute sah, nicht wie diese Intelligenz.
    Orlow lief gebückt den Pfad entlang, die Hände in die Ärmel gesteckt. Die Säge hatte er unter den Arm geklemmt.
    »Hören Sie, Dmitrij Nikolajewitsch«, sagte ich und holte Orlow hüpfend ein. »Ich kann das doch nicht. Ich habe noch nie eine Säge geschärft.«
    Orlow drehte sich zu mir, rammte die Säge in den Schnee und zog die Handschuhe an.
    »Ich finde«, sagte er in dozierendem Ton, »dass jeder Hochschulabsolvent eine Säge schärfen und schränken können muss.«
    Ich stimmte ihm zu.
    Tot ist der Ökonom Semjon Aleksejewitsch Schejnin, ein guter Mensch. Er begriff lange nicht, was sie mit uns machen, aber schließlich verstand er und erwartete ruhig den Tod. An Mut fehlte es ihm nicht. Irgendwann erhielt ich ein Päckchen – dass ein Päckchen ankam, war eine große Seltenheit –, und darin waren Flieger-Filz
burki
und weiter nichts. Wie schlecht kannten unsere Angehörigen die Verhältnisse, unter denen wir lebten. Mir war klar, dass mir die
burki
in der ersten Nacht gestohlen, weggenommen würden. Und ich verkaufte sie noch in der Wache für hundert Rubel an den Vorarbeiter Andrej Bojko. Die
burki
hatten siebenhundert gekostet, aber es war ein günstiger Verkauf. Denn ich konnte dafür hundert Kilo Brot kaufen, und wenn nicht hundert, dann konnte ich Butter und Zucker kaufen. Butter und Zucker hatte ich zuletzt im Gefängnis gegessen. Und ich kaufte im Laden ein ganzes Kilo Butter. Ich erinnerte mich an ihre Bekömmlichkeit. Einundvierzig Rubel kostete diese Butter. Ich kaufte sie am Tag (wir arbeiteten nachts) und lief zu Schejnin – wir wohnten in unterschiedlichen Baracken –, das Päckchen

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