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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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stark gehandelt, denn noch begehre ich sie und werde sie noch oft begehren... Ich will ihr schreiben. Sie wird sehr leiden. Das wird ein rascher Schmerz gewesen sein, rasch wie das Glück war. Ist man nicht daran gestorben, so ist's eben vorbei. Wäre ich jetzt mitleidig und suchte sie zu täuschen - das gäbe lange, lange Ängste, zitternde Wiederbelebung dessen, was doch sterben muß.' Er stieg in den Garten hinab, ging durch die Wege, die Lauben, und schrieb in Gedanken:
    ,Meine angebetete Gemma! Heute habe ich noch das Recht, Dich so zu nennen. Wenn Du am Abend wiederkämest, wäre es vielleicht schon zur Lüge geworden - zu der ersten von all den Lügen, mit denen ich unsere Liebe fristen würde. Ich will das nicht, dafür waren wir noch soeben zu stark und zu glücklich. Ich will Dir Dein wahres Gefühl mit der Wahrheit vergelten, die ich geben kann. Höre, meine Gemma.
    Du liebst mich noch immer, nicht wahr? Du bist überzeugt, Du liebst mich auf immer. Und Du würdest ein Gefühl für nichtig halten, das seinen Tod voraussieht. Das aber, Gemma, tut meines. Oh, ich werde Dich in Jahren noch so heftig zu mir herwünschen wie jetzt in diesem Augenblick! Aber kämest Du in zwei Stunden, vielleicht kämest Du schon zu spät. Vielleicht, Geliebte, bin ich Dir sogar heute nacht, mitten in unsern festen, testen Umarmungen schon untreu geworden. Wer weiß, ob ich nicht an ein Wort gedacht habe, das diese Umarmungen zu malen vermöchte? Die Kunst, Gemma, ist Deine Rivalin, und Du darfst sie nicht leicht nehmen. Manchmal, wenn Du, die Arme geöffnet, in mein Zimmer treten wirst, hält sie mich an ihrer harten Brust.' Mario Malvolto sah zu, wie eine Traube Glyzinen durch seine hohle Hand schlüpfte, und überlegte: ,Harte Brust? Hat die Kunst eine harte Brust?' Er ließ es vorläufig gut sein.
    ,Du verstehst mich nicht, ich sehe voraus. Du meinst, eine Beschäftigung könne man doch verlassen, wenn eine Frau eintritt. Der Lanti, wenn Du ihn heiratest, würde sein Pferd wegschicken, sobald du wolltest. Ein Börsenmann würde seine Kunden abfertigen. Das Geld ist eine Leidenschaft, die selten standhält vor der Frau. Mit der Kunst, Gemma, steht es anders. Nur sie, der Krieg und die Macht sind widernatürliche Ausschweifungen, die einen Menschen ganz wollen. Aber die Kunst ist von den dreien die verderblichste, sie enthält die beiden anderen. Sie allein höhlt ihr Opfer so aus, daß es unfähig bleibt auf immer zu einem echten Gefühl, zu einer redlichen Hingabe. Bedenke, daß mir die Welt nur Stoff ist, um Sätze daraus zu formen. Alles, was Du siehst und genießt - Deine Mauern von San Gimignano, über die Deine Kinderträume huschten wie Eidechsen: mir wäre nicht an ihrem Genuß gelegen, nur an der Phrase, die ihn spiegelt. Jeder goldene Abend, jeder weinende Freund, alle meine Gefühle und noch der Schmerz darüber, daß sie so verderbt sind - es ist Stoff zu Worten. Du selbst wärest einer. Gemma, das ist unerträglich. Ich werde nicht bei meiner Frau sitzen, sie betrachten und glücklich sein. Ich werde sinnen, wie ich dieses Profil zu kennzeichnen habe, wie und auf welche Art ich es ansehen muß, damit ein überraschendes Bild in mir entsteht und ein merkwürdiges Wort. Wenn ich Dein wunderbares Fleisch - ich gebrauche ein recht dürftiges Wort: wunderbar -, wenn ich es unter meinen Händen spüre, werde ich nach einem kunstvolleren suchen, nach einem, worin Dein Fleisch, und nur Deines, ganz gefangen ist. Oh, ich werde sehr beflissen sein bei Dir, Du wirst mich oftmals fiebern sehen vor Gefühl, vor Drang zu Dir. Glaube nicht, das sei Liebe! Ich habe es nötig, mich in Empfindungen hineinzuschwindeln, damit ich sie darstellen kann. Ich muß in Menschen, in schöne, starke Menschen, wie Du einer bist, eindringen, mit ihnen zittern, mit ihnen schwelgen, mit ihnen verdammt sein und untergehen. Aus mir selbst kann ich den Menschen nicht kennen, denn ich bin keiner; ich bin ein Komödiant. Denke an alle Frauen, denen Du in Gesellschaft begegnest, die Dir zulächeln; denke an jede einzelne und wisse: ich habe Dich schon mit ihr betrogen und werde es wieder tun - mit meiner Seele. Und doch sollte in ihr nichts geschehen als Du! Aber noch Schlimmeres: ich werde Dich mit Dir selbst betrügen, mit einer gefälschten Gemma.
    Meine Geschöpfe, die Du liebst, um derentwillen Du zu mir und in meine Arme gestürzt bist, Gemma, sie waren alle einmal wirkliche Menschen. Meinen Wirkungen zuliebe habe ich sie umgelogen. So werd' ich

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