Kuenstlernovellenovellen
zu einer Dirne geht, um sich über die Leistungsfähigkeit ihres Verlobten zu unterrichten! Nein, das hätte ich nicht erfunden, das erfindet keiner!' Sie sah ihn groß an. „Und die - die brauchst du nicht." Er gab zu, erstaunt: „Nein." Sie belebte sich.
„Siehst du, du hast mir soeben niedrige Begierden zugetraut, ich weiß es, leugne nicht. Du kennst mich noch nicht... Das Schlimmste ist nicht, daß er kein starker Mann ist. Aber er hat keine Liebe. Die Traffetti liebt ihn, sie hat geweint, als sie es mir gestand!" „Aber er hat sich neulich für sie geschlagen", sagte Mal-volto, ehe er's bedacht hatte.
„Ich möchte nicht, daß sich einer so für mich schlüge. Er hat die ganze Zeit kalt und ruhig seinen Platz behauptet, seinen wütenden Gegner in Distanz gehalten — das Auge immer an der Degenspitze des andern - bis er ihn schließlich treffen konnte... Wer eine beleidigte Geliebte rächt, ficht anders! Er liebt nicht, sage ich dir." ,Also nicht', dachte Malvolto und gab es auf, diesen Bräutigam zu retten. Er sah zu, wie das junge Mädchen an ihrem Mieder nestelte. Ein paar Schmuckstücke rollten auf den Teppich. Zwischen den Spitzen schimmerte ein wenig blaugeädertes Fleisch. Sie benahm sich wie ein Kind, das von langer Wanderung nach Hause gefunden hat, müde und glücklich.
„Ich werde nie seine Seele zu fühlen bekommen. Deine hab' ich oft gefühlt. Ich bringe dir meine."
Sie stand auf.
„Und meinen Körper."
Er stürmte hin zu ihr, stürzte auf die Knie, warf Küsse auf ihr Kleid und ihre Hände. Er war auf einmal voll durchwärmt von dem Gefühl dieser Seele, die seit Monaten, an seine denkend, sich aus einem Gefängnis, aus den Schlingen der Fremden frei machte; die tastete, nachtwandelte und durch mondbeschienene Wälder tiefer, leidenschaftlicher Ahnungen den Weg fandzu ihm! Da war sie, da trat sie aus dem weißen Zimmer in einen Mondstrahl! Da stand sie, für ihn erschaffen, unerklärlich ohne ihn. Da lag sie auf seiner Brust, ihn zu erlösen, ihn in das Heiligtum des Lebens zu retten,ihm langen Atem einzublasen,ihn alles vergessende Empfindungen undstarkeGebärdenzu lehren! „Ich liebe dich, Gemma!" Sie lächelte nur, die Hände auf seinem Haar. ,Aber ich glaube ja!' rief er sich zu. ,Das Wunder ist für mich geschehen, ich bin stark genug, es zu glauben, mich von ihm erlösen zu lassen!'
Er sprang auf, legte den Arm um sie... Auf einmal überrann es ihn kalt. ,Jetzt glaubst du, Komödiant. Und morgen früh wird deine Sorge sein, was wohl mit dieser Minute der Gläubigkeit künstlerisch anzufangen ist.' ,Aber ich liebe sie', versicherte er seinen Widersacher. ,Und sie mich. Bin ich denn kein Mensch?' ,Nein, du bist keiner. Du spielst ihn nur. Unterdrücke diesmal deinen Effekt, dies einzige Mal, aus Mitleid mit einem Kinde. Bedenke -'
,0 ich weiß, und ich habe Angst. Dies ist kein Abenteuer, das man hinnimmt und aus dem man entkommt, sobald man es müde ist. Es ist kein Haus mit zwei Eingängen. Es ist ein Felsental, über dessen einzige Pforte Wasser stürzen, wenn man drinnen ist!'
Er löste widerstrebend die Hände von dem jungen Mädchen. Sein Blick, vom Schmerz verwirrt und über die Wände gejagt, traf plötzlich ins Auge von Pippo Spano. Jetzt lächelte Pippo Spano. Sein fürchterliches Lächeln, das niemals nachzuweisen gewesen war, jetzt sagte es mit klaren Worten:
,lst das die Stärke, zu der ich, dein Gewissen, dich zwingen sollte? Ein Weib kommt, es betet dich an. Dein Blut reißt dich zu ihr. Und dein Bedenken von Kranken zuliebe schickst du das heiße Leben fort? Tu's - aber versuche nie wieder, dich aus der Welt der Schwachen wegzustehlen in meine hinein, wo man liebt, raubt und, wenn es sein muß, dafür stirbt!'
Mario Malvolto riß Gemma vom Boden. Alles Blut im Gesicht, gleich einem Krieger, dem sein erbeutetes Weib mit weißer Umarmung den Hals zuschnürt, trug er sie in sein Schlafzimmer.
Der Glaube
Mario Malvolto stand allein auf seiner Terrasse und sah den Tag aufgehen. Gemma war fort, er lauschte auf die letzten Schwingungen des Glücks, das sie in ihm angeschlagen hatte. Gleich würde es ausgeklungen haben. Wenn sie heute abend wiederkam als ganz dieselbe, immer in derselben Glorie von Leidenschaft-wie fand sie ihn! Er wußte es selbst nicht. Zwanzig Stunden konnten ihn wer weiß wohin tragen. Er würde eine Anstrengung machen zu ihr zurück. Sie würde vielleicht gelingen. ,Nein, nein. Wir trennen uns gleich. Ich will sie nicht wiedersehen. Das ist
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