Küss den Wolf
sieht nicht gerade lecker aus.« Tinka legte den Finger auf ihre Lippen, senkte die Stimme und flüsterte verschwörerisch: »Das sind nicht irgendwelche Pilze, sondern Magic Mushrooms, mit besten Grüßen von Johnny D! Er wünscht uns ganz viel Spaß damit.«
Allmählich dämmerte mir, worauf meine Freundin hinauswollte.
»Sind das etwa halluzinogene Pilze?«, fragte ich halb entsetzt, halb neugierig. Au Mann, Tinkabell!
»Halluzinogene Pilze?«, echote es – Auftritt Jenny und Lula. Jenny war dem Anlass gemäß eher praktisch gekleidet, genauso wie Tinka und ich. Nur Lula hatte offenbar das Bedürfnis gehabt, sich schick zu machen, und blieb mit ihren Pfennigabsätzen alle paar Meter im Boden stecken.
»Wen willst du hier eigentlich aufreißen, einen Waldschrat?«, fragte Tinka, als Lula in ihrem roten, taillierten Sommerkleidchen mit weißen Polkadots auf und ab stolzierte. Darin sah sie aus wie eine Mischung aus Fliegenpilz und 50er-Jahre-Lady.
»Haha, lustig!«, fauchte Lula.
Huch? Was war der denn für eine Laus über die Leber gelaufen?
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich und warf gleichzeitig ein Stöckchen für Max, dem er laut bellend hinterherrannte. »Mit Ben ist wieder Schluss«, antwortete Lula düster und ließ die Winkel ihres kirschrot geschminkten Mundes hängen. Ein kurzer, scharfer Schmerz durchfuhr mich – die Erinnerung an Leo und daran, dass ich immer noch nichts von ihm gehört hatte.
»Und warum, wenn ich fragen darf?«, wollte Tinka wissen, holte eine Flasche Sekt und eine Tupperdose mit gezuckerten Erdbeeren aus der Kühltasche und stellte sie auf den provisorischen Tisch im Zelt. »Seiner Meinung nach habe ich es zu langsam angehen lassen, es wurde ihm zu langweilig«, erklärte Lula und ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. Natürlich tat sie mir leid, aber allmählich wurde es wirklich mal Zeit, sich zu fragen, was mit ihr und den Jungs immer schieflief. Mal legte Lula ein zu hohes Tempo vor, mal war sie nicht schnell genug.
»Ach, vergiss doch diese bekloppten Typen«, fegte Jenny mit einem Satz das Thema beiseite und machte sich ebenfalls ans Werk, um das Party-Catering zu vervollständigen. Sie hatte ihren berühmten Nudelsalat mitgebracht, knuspriges Baguette und selbst gemachte Fischfrikadellen. Ich selbst steuerte zwei Platten mit verschiedenen Antipasti zu unserem Fest bei, die ich heute Vormittag zusammen mit Theodora zubereitet hatte, und rote Grütze mit Vanillesoße als Nachtisch. »Jetzt sind wir erst mal bei Pippa und Theodora in diesem wunderschönen, romantischen Wald und werden es uns einfach richtig gut gehen lassen! Wer braucht schon Jungs, wenn man Freundinnen wie euch hat?«
»Und noch dazu ein so sensationelles Büfett«, fügte Tinka hinzu. Hatte ich schon erwähnt, dass Tinka für ihr Leben gern aß? Dieses Koch- und Genuss-Gen lag eindeutig in der Familie Hansen, doch im Gegensatz zu seiner Cousine hatte nur Guido seine Vorliebe zum Beruf gemacht.
Guido… Leo… der Abend in der Karolinenpassage… Leo…
»Habt ihr alles, was ihr braucht?«, fragte Theodora und schaute sich um. »Ja, danke, du bist ein Schatz«, antwortete ich, Lula nahm Oma das mitgebrachte Tablett ab und stellte die Gläser auf den Ziegelsteintisch. »Fühlst du dich denn jetzt besser nach deinem Nickerchen?« Theodora – für ihre Verhältnisse ungewöhnlich blass um die Nase – behauptete, es ginge ihr gut, doch ich glaubte ihr nicht so recht. »Die beste Medizin, um so richtig in Schwung zu kommen, ist immer noch ein kleines Gläschen Sekt zur rechten Zeit«, erklärte sie augenzwinkernd, während Jenny den Korken knallen ließ. Nachdem sie uns allen ein halbes Glas eingeschenkt hatte, prosteten wir uns zu und wünschten einander einen unvergesslichen Abend.
Theodoras Wangen röteten sich von Minute zu Minute, der Sekt schien ihren Kreislauf tatsächlich anzukurbeln. »So, ihr Lieben, jetzt müsst ihr aber etwas essen, sonst wird euch nachher nur schlecht und ihr habt nichts von diesem Abend«, sagte sie schließlich, wünschte uns noch einmal viel Spaß und ging zurück ins Haus, um sich die Übertragung eines Theaterstücks im Fernsehen anzuschauen. Meine Großmutter hatte ihr Leben lang als Hutmacherin und Kostümbildnerin für das Theater gearbeitet, mein Großvater war Schauspieler gewesen.
In seinen besten Zeiten hatte Ottokar Möller sogar an der Burg in Wien gespielt. Ich liebte es, an verregneten Nachmittagen bei Oma auf dem Sofa zu
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