Küss den Wolf
müssen.
Wie konnte Leo mir und Theodora so etwas antun?
War das alles von Anfang an geplant gewesen und ich nur die Schachfigur in einem globalen Plan, das Imperium der Lauterbachs zu vergrößern?
Waren Leos Gefühle nur gespielt gewesen?
Jeder Kuss, jede Umarmung?
Mir wurde übel bei dem Gedanken daran, dass ich beinahe mit ihm geschlafen hätte. Beim ersten Mal hatte Holla verhindert, dass es so weit gekommen war – und beim zweiten Mal meine Mutter… meine beiden Schutzengel…
»Das ist ja eine ziemlich abenteuerliche Geschichte…«, sagte Verena, als Marc geendet hatte. Ich war kurz davor zu heulen. »Und du bist dir wirklich sicher, dass das alles auch so stimmt? Ich habe Leo nämlich als einen äußerst sympathischen und hilfsbereiten jungen Mann kennengelernt und es fällt mir schwer zu glauben, dass er und seine Familie in derart üble Geschäfte verwickelt sind. Und das auch noch, ohne dass die Öffentlichkeit bislang darauf aufmerksam geworden ist.« Marc nickte. »Und am allerschwersten fällt es mir natürlich zu glauben, dass jemand meine Tochter nur benutzt, um durch sie an ein Grundstück heranzukommen. Das klingt schon ziemlich absurd…«
»Ich glaube nicht, dass Leo sich von Anfang an in dieser Absicht an Pippa herangemacht hat. Viel wahrscheinlicher ist, dass er sich erst in sie verliebt hat und dann eine Chance gewittert hat… und nun ja… verstehen kann ich ihn jedenfalls. Also ich meine in Bezug auf seine Gefühle für Pippa…« Oh mein Gott! Gab Marc Jensen gerade in Anwesenheit meiner Mutter zu, dass er mich mochte? Verena sah aus, als müsse sie sich ein Lächeln verkneifen, und drückte verstohlen meine Hand. »Was haltet ihr beiden von folgendem Vorschlag: Ich denke noch mal über die ganze Sache nach, spreche mit Pippas Vater und vor allem mit Theodora und fälle dann eine endgültige Entscheidung. Noch ist ja zum Glück nichts unterschrieben. Ich lass euch jetzt wieder allein und geh erst mal telefonieren.« Mit diesen Worten stand sie auf und verschwand in ihrem Zimmer. Marc und ich schwiegen eine Weile, jeder versunken in seiner Gedankenwelt. Schließlich sagte Marc: »Ich glaub, ich geh jetzt mal besser. Ich habe euch alles gesagt, was ich weiß. Der Rest liegt in eurer Hand und ist eine reine Familiensache. Wir sehen uns ja dann morgen in der Schule.« Widerspruchslos brachte ich ihn zur Tür. Ein Teil von mir weigerte sich immer noch, das alles zu glauben. Aber ich wollte auf jeden Fall noch eine Erklärung für etwas, das mich neben all den mysteriösen Vorkommnissen schon länger beschäftigte: »Eine Frage habe ich noch an dich, Marc«, sagte ich, nachdem ich die Tür geöffnet hatte. »Wieso hast du eigentlich die Rufnummer auf deinem Handy unterdrückt?«
Wenn ich es im Zwielicht des Treppenhauses richtig erkennen konnte, wurde Marc von einer Sekunde auf die andere knallrot. »Das stammt noch aus der Zeit, als ich ein paarmal versucht habe, dich anzurufen, dann aber doch zu feige war und im letzten Moment aufgelegt habe«, sagte er und wirkte sehr verlegen, was ihn aber in meinen Augen noch liebenswerter machte. Ich dachte an die beiden Male, als das Telefon morgens um drei geklingelt und ich gehofft hatte, es sei Leo, der versucht hatte, mich zu erreichen.
»Kann das auch mal sehr spät nachts gewesen sein?«, fragte ich grinsend. Marc nickte schuldbewusst. »Ja, leider. Das hat mein Handy allerdings von alleine gemacht…«
»So, so, von alleine«, antwortete ich schmunzelnd. »Dann sollte ich dir wohl mal bei Gelegenheit zeigen, wie die Tastensperre funktioniert…« Marc lächelte immer noch verlegen, verabschiedete sich mit einem unverbindlichen »Bis dann« und ging die Treppe hinunter.
Ich selbst flitzte zurück auf den Balkon, um ihm hinterherschauen zu können. Doch ich war zu langsam – oder Marc zu schnell. Auf jeden Fall war er verschwunden, als ich auf den Balkon trat. Verschluckt vom Laub der Bäume, die meine Sicht auf die Straße verdeckten.
Ich starrte noch eine Weile nach unten und goss schließlich gedankenverloren die Balkonpflanzen.
Konnte es sein, dass Marc mir heute durch die Blume gesagt hatte, dass er in mich verliebt war?
49.
Freitag, 13. Mai
Als Verenas Wecker klingelte, fühlte ich mich, als sei mein Körper in Beton gegossen. Mein Kopf drohte zu platzen. In der vergangenen Nacht hatte ich mich die ganze Zeit schlaflos herumgewälzt. Schließlich war ich zu meiner Mutter ins Bett gekrabbelt, die mich liebevoll in den Arm
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