Kuess mich doch - Roman
«
»Du bist wirklich einzigartig.« Das hatte er bereits bei ihrem ersten Treffen bemerkt.
Sie lächelte. »Und du bist sehr liebenswürdig. Als meinen Eltern klarwurde, dass sie mich nicht nach ihren Vorstellungen formen konnten, war ich für sie eher eine … Enttäuschung. « Ihre Stimme klang brüchig.
Bei dem Gedanken an das kleine Mädchen, das seine Eltern nicht zufriedenstellen konnte, zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Aus Coop war ja auch nicht das geworden, was sich sein Vater gewünscht hatte – nicht, dass er es nicht versucht hätte. Aber er hatte sich der Liebe seines Vaters trotzdem stets sicher sein können.
»Es muss immer alles nach ihren Vorstellungen laufen. Etwas anderes akzeptieren sie nicht«, fuhr Lexie fort.
»Grandma sagt oft, es ist ihr ein Rätsel, wie sie einen
derartigen Langweiler wie meinen Vater in die Welt setzen konnte. Sie bringt ihn auf die Palme, so oft es geht.«
Coop lachte. »Hey, es gibt eben in jeder Familie ganz unterschiedliche Charaktere. Ist doch okay, anders zu sein.«
Lexie schnaubte. »Ich wünschte, irgendjemand hätte das mal meinen Eltern erklärt. Versteh mich nicht falsch, sie haben mich geliebt und wollten mir alles bieten, solange sie die Richtung bestimmen konnten. Als ich fünf Jahre alt war, kam mein Talent zum Eiskunstlauf zum Vorschein. Von da an haben sie mich ständig gedrängt, daraus einen Beruf zu machen.«
»Lass mich raten«, sagte er, ohne die Aufräumarbeiten zu unterbrechen. »Du hast es gehasst.«
»Das Eislaufen habe ich geliebt. Gehasst habe ich nur die strikten Trainingszeiten, die damit einhergingen. Und die Eintönigkeit. Jeden Tag dieselbe Routine. Und als ich älter wurde, hat mich das Konkurrenzdenken der anderen genervt, und der Ehrgeiz der Erwachsenen, mit denen wir zu tun hatten.«
»Hast du mit deinen Eltern darüber gesprochen?« Er fragte sich, ob sie sich sicher genug gefühlt haben mochte, um offen und ehrlich mit ihnen darüber zu reden.
Sie nickte. »Ich habe es versucht, aber sie haben mich einfach ignoriert. Meine ganze Kindheit und frühe Jugend hindurch musste ich jeden Tag um fünf Uhr morgens in die Eislaufhalle, um mit einem Coach zu trainieren und mich auf irgendwelche Wettbewerbe
vorzubereiten. Bis meine Großmutter auf den Plan getreten ist. «
»Und, wie hat sie dich gerettet?« Coop war fasziniert von diesem Einblick in ihre Kindheit und Jugend. Schließlich hatte ihre Vergangenheit sie zu dem Menschen gemacht, der sie heute war.
»Sie sollte mich eines Tages von der Schule abholen und zum Eislauftraining bringen. Ein Blick in mein Gesicht hat gereicht, und sie hat beschlossen, stattdessen mit mir aufs Land zu fahren. Wir waren dann am Bear Mountain wandern, haben uns am Anblick der herbstlich bunten Blätter erfreut und es einfach genossen, draußen zu sein. Das war genau die Auszeit, die ich so dringend nötig hatte.«
Bei der Erinnerung daran färbten sich ihre Wangen rot, als wäre sie wieder dort draußen in den Wäldern, als würde ihr der frische, kühle Wind über das Gesicht streichen. Ihre Großmutter scheint ja sehr genau zu wissen, womit man Lexies Begeisterung wecken kann, dachte Coop.
»Sieht ganz so aus, als würde sie dich verstehen«, sagte er und sah ihr in die Augen. »Du kannst dich glücklich schätzen, dass du sie hast. «
Sie nickte. »Das klingt, als ob du wüsstest, wovon du redest. Wer war es in deinem Fall?«
»Meine Mutter«, erwiderte er mit rauer Stimme und schluckte schwer. Er beschloss, beim Thema zu bleiben und Lexie vorerst nicht von seiner Schulterverletzung zu erzählen, die ihn gezwungen hatte, die Ausbildung zum Polizisten abzubrechen. »Sie wusste, dass ich das
Schreiben liebe, und sie hat mein Talent gefördert. Sie hat mich zum Journalismus gebracht, weil sie mich verstanden hat. «
Lexie lächelte und nickte wissend. »Genau wie meine Großmutter mich versteht. «
»Wir standen uns sehr nahe. In der Gegenwart meines Vaters und meines Bruders habe ich mich immer wie ein Außenseiter gefühlt. Im Grunde ist das auch heute noch so«, gestand er ihr.
»Und, wie hat deine Großmutter interveniert?« Er zweifelte nicht daran, dass Charlotte etwas unternommen hatte.
Lexie lächelte. »Sie hat eine Art Krisensitzung einberufen, gemeinsam mit Yank Morgan, dem Sportagenten. Die beiden hatten sich in der Eislaufhalle kennengelernt und waren im Nu dicke Freunde geworden. Sie haben sich mit meinen Eltern zusammengesetzt und ihnen erklärt, dass man, um im
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