Kuess mich doch - Roman
Irgendwie kam es ihr so vor, als würde es in sämtlichen Lebensbereichen nur Probleme geben. Sie wäre jetzt viel lieber ins oberste
Stockwerk des Empire State Building gefahren als in den tiefsten Keller einer New Yorker Polizeiwache.
Nachdem sie sich umgezogen hatte, kehrten sie ins Stadtzentrum zurück, nahmen dort schnell ein Mittagessen zu sich und fuhren anschließend zur Polizei weiter.
Es war bereits später Nachmittag, als sie am Haupteingang des Reviers angelangt waren, wo Coop Ed Potter zu sehen verlangte.
Gleich darauf kam ein kräftiger älterer Uniformierter, der am Stock ging, auf sie zu und schüttelte Coop die Hand.
»Wer ist denn diese hübsche junge Dame?«, erkundigte sich Ed.
»Lexie Davis«, antwortete sie und streckte ihm die Hand hin.
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Er begrüßte sie mit einem kräftigen Händedruck.
»Tag, Ed. Alles klar?«, sagte Coop.
Der Polizist lächelte und tätschelte sich mit der Hand das linke Bein. »Kann nicht klagen. Solange es nicht regnet, plagt mich meine alte Verletzung nicht allzu sehr. Wie geht es dir? Wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen; das letzte Mal bei der Beerdigung deiner Mutter. Was für ein Abgang … Tja, er wurde dieser großartigen Frau durchaus gerecht. «
Coop beugte den Kopf. »Danke. Sie war ein ganz besonderer Mensch.«
Lexie hatte prompt einen Kloß im Hals, als sie den Schmerz in seiner Stimme hörte. Sie hätte seine Mutter,
die ihm so nahegestanden war, sehr gerne kennengelernt.
»Erzähl, wie geht es deinem Vater?«, fragte Ed. »Ich glaube, mir gegenüber sagt er nicht die Wahrheit. Er behauptet immer, es gehe ihm blendend. «
Coop lächelte. »Es geht ihm tatsächlich ganz gut. Er beklagt sich nie. Ich würde mir nur wünschen, dass er jemanden kennenlernt, der ihm Gesellschaft leistet. Aber bis jetzt ist in seinem Lokal noch nicht die Richtige aufgekreuzt. «
Ed nickte. »Wenn sie es tut, dann sorg dafür, dass sie für Männerabende mehr Verständnis aufbringt als meine Frau Gemahlin.«
Coop ließ das tiefe, raue Lachen hören, das Lexie so mochte. Nicht zum ersten Mal lief ihr dabei ein wohliger Schauer über den Rücken.
»Ich nehme an, das ist der Grund, wieso du nie in Jack’s Bar anzutreffen bist?«, fragte Coop.
»Erraten. «
Lexie betrachtete Ed verwundert. Sie fand es seltsam, dass sich ein Mann von so beeindruckender Statur wie er von seiner Frau vorschreiben ließ, wie und mit wem er seine Freizeit verbrachte. Tja, das zeigte wieder einmal, dass man niemanden nach seinem Äußeren beurteilen sollte.
Als Ed sie dann kurz darauf zu einer Treppe führte, warf Lexie Coop einen fragenden Blick zu.
»Der Stock ist nur für den Fall, dass ich Schmerzen im Bein bekomme. Ich kann mich trotzdem frei bewegen«, bemerkte Ed, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Sie nickte und folgte den beiden Männern nach unten.
Coop hatte mit seiner Warnung, im Archiv sei es schmutzig, nicht übertrieben. Lexie hatte schon in den unterschiedlichsten Behausungen auf der ganzen Welt genächtigt, angefangen von einem Zelt im Yosemite Nationalpark bis hin zu einer Lehmhütte in Afrika. Im Allgemeinen störte es sie nicht allzu sehr, wenn es nicht picobello sauber war, aber das hier war etwas anderes. Bei dem Gemisch aus Staub und Schimmel, das sämtliche Oberflächen überzog, machten sich ihre Allergien bemerkbar, und ihre Nase begann zu jucken, sobald sie im Keller des alten Gebäudes angekommen waren.
»Okay, hier ist es.« Ed blieb vor einer verschlossenen Tür stehen, zog einen Schlüsselbund heraus und sperrte auf.
»Die Tür schließt von selber, kann aber von innen geöffnet werden; ihr seid also nicht eingeschlossen. Nehmt euch ruhig so viel Zeit, wie ihr braucht. «
»Danke«, sagte Lexie und betrat den schwach beleuchteten Raum.
»Ja, danke.« Coop klopfte Ed auf den Rücken. »Und mach dich nicht immer so rar – nimm Gretchen doch einfach mit, wenn sie dich schon nicht aus den Augen lassen will.«
»Bei Jack Cooper gibt es die besten Burger der Stadt«, bemerkte Lexie, als hätte es noch eines zusätzlichen Anreizes bedurft.
Ed grinste. »Das werde ich tun.« Er hob die Hand zum Gruß und ging hinaus.
Die Tür knarrte und fiel dann hinter ihnen mit einem lauten Krachen ins Schloss.
Dann herrschte eine unheimliche Stille. Lexie fröstelte unwillkürlich. »Ungefähr so muss es sich anfühlen, wenn sich eine Gefängnistüre hinter einem schließt.«
»Nein, das ist schlimmer. Wenn
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