Küss mich Engel
wie früher, mit strahlendem Gesicht, ohne etwas zurückzuhalten. Er war aufgewacht und hatte festgestellt, dass er sich an sie drückte. Es war so lange her, und er wollte sie so sehr, dass er einfach nicht loslassen konnte.
Er hatte über ihre Hüfte und über die süße Wölbung ihres Bauchs gestreichelt. Sie war sofort aufgewacht, und er hatte gespürt, wie sie erstarrte, während er sie liebkoste, doch sie war nicht zurückgewichen. Sie wehrte sich nicht mal, als er ihr die Beine auseinanderschob und sich über sie legte. Sie lag einfach nur passiv da, während er der Liste von Sünden, die er bereits an ihr begangen hatte, noch eine weitere hinzufügte. Er war sich vorgekommen wie ein Vergewaltiger, und als er sich heute morgen rasierte, hatte er sich nicht in die Augen sehen können.
»Sie spricht noch mit Heather«, sagte Brady. »Aber nicht so wie früher. Heather macht sich genauso große Sorgen wie wir alle.«
Heather aß die Tacos auf, die Sheba für sie gemacht hatte, und wischte sich die Finger an ihrer Papierserviette ab. »Willst du wissen, was Dad gestern Abend zu mir gesagt hat?«
Sheba blickte vom Spülbecken auf. »Sicher.«
Heather warf sich grinsend in die Brust. »Er hat gesagt, verdammt noch mal, Heather, räum deinen Mist von der Couch. Bloß weil ich dich liebhab, heißt das noch lange nicht, dass ich dein Make-up überall am Hintern haben will.«
Sheba lachte. »Dein guter Dad versteht sich aber wirklich aufs Süßholzraspeln.«
»Damals am Flughafen ...« Sie blinzelte. »Da hatte er Tränen in den Augen, Sheba.«
»Er liebt dich wirklich.«
»Ich glaub, das weiß ich jetzt.« Ihr Lachen erstarb. »Irgendwie fühl ich mich schuldig, weil ich so glücklich bin und so, während es Daisy so schlecht geht. Gestern hab ich direkt vor ihr Scheiße gesagt, und sie hat‘s nicht mal gemerkt.«
Sheba wischte mit dem Geschirrtuch über die Anrichte. »Alle reden nur über Daisy. Ich bin‘s langsam leid.«
»Ja, weil du sie nicht magst, und das versteh ich einfach nicht. Ich mein, ich weiß, dass du und Alex, dass ihr mal zusammen wart und so, aber du machst dir doch nichts mehr aus ihm, und sie ist so traurig, also was soll‘s?«
»Die Sache ist die, dass Sheba es nicht ertragen kann, ausgebootet zu werden.« Brady stand im Türrahmen, und keiner hatte ihn kommen gehört.
Sheba wurde sofort kratzbürstig. »Klopfst du eigentlich nie an?«
Heather seufzte. »Fangt ihr beiden jetzt wieder an zu streiten?«
»Ich streite nicht«, sagte Brady. »Sie tut das.«
»Ha! Er denkt, er kann mir sagen, was ich zu tun hab, aber das lass ich nicht zu.«
»Dasselbe sagt er von dir«, meinte Heather geduldig. Und dann meinte sie, obwohl sie langsam das Gefühl hatte, bloß ihren Atem zu verschwenden: »Wenn ihr beiden bloß heiraten würdet, könntet ihr euch gegenseitig rumkommandieren und uns andere einfach in Ruhe lassen.«
»Den würde ich nie im Leben heiraten!«
»Die würd ich nicht heiraten, und wenn sie die letzte Frau auf der Welt wäre!«
»Dann solltet ihr auch nicht miteinander schlafen.« Heather setzte ihren besten Daisy-Markov-Ton auf. »Und ich weiß sehr wohl, dass du dich fast jede Nacht zu ihr rüberschleichst, Dad, obwohl Sex ohne ein festes Gelöbnis unmoralisch ist.«
Sheba wurde knallrot. Ihr Dad machte den Mund ein paarmal auf und zu, wie ein Goldfisch, dann plusterte er sich auf. »Du weißt ja gar nicht, wovon du redest, junge Dame. Sheba und ich sind bloß Freunde, das ist alles. Ihr Wassertank ist kaputt, und ich -«
Heather verdrehte die Augen. »Ich bin doch kein Schwachkopf.«
»Also, jetzt hör mir mal zu -«
»Was für eine Art Vorbild seid ihr beiden eigentlich? Erst gestern hab ich was über die Psychologie des Heranwachsenden gelesen, für meinen Hausaufsatz, ihr wisst schon, und ich muss sagen, ich bin ohnehin schon ziemlich vorbelastet.«
»Wie, vorbelastet?«
»Ich hab meine Mutter verloren und bin das Produkt eines gestörten Zuhauses. Wenn man dann noch in Betracht zieht, was ich bei euch, meinen wichtigsten Bezugspersonen, mitansehen muss, bin ich ein mehr als wahrscheinlicher Kandidat für eine Minderjährigenschwangerschaft.«
Die Augenbrauen ihres Dads schössen hoch bis fast zum Haaransatz, und sie hatte einen Augenblick lang das ernsthafte Gefühl, dass er sich gleich in die Hosen machen würde. Obwohl sie keine Angst mehr vor ihm hatte, nicht so wie früher jedenfalls, war sie keineswegs dumm. »Ich muss abhauen. Ich seh euch dann
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