Küss mich Engel
sich, etwas zu sagen. »Ich weiß nicht, wann ich je eine nettere Überraschung erlebt hätte. Du etwa, Alex?«
Es folgte eine lange Stille, bevor er ruckartig den Kopf schüttelte.
Sie reckte ihr Kinn und setzte ein krampfhaftes Lächeln auf. »Der Kuchen sieht einfach köstlich aus. Ich wette, dass jeder gern ein Stück hätte.« Sie blickte Alex flehentlich an. »Lass ihn uns zusammen anschneiden.«
Die Stille schien sich endlos hinzuziehen. »Ich hab schmutzige Hände. Mach du das.«
Ihre Wangen brannten vor Scham, aber sie trat tapfer an den Tisch, nahm das Messer zur Hand und fing an, den Kuchen in kleine Vierecke zu schneiden. Während die Stille sich immer schwerer auf sie niedersenkte, versuchte sie so zu tun, als wäre nichts geschehen. »Ich kann kaum glauben, dass ihr das alles so schnell organisiert habt. Wie habt ihr das bloß geschafft?«
Madeline scharrte unbehaglich mit den Füßen. »Es war äh - halb so wild.«
»Nun, ich bin jedenfalls schwer beeindruckt.« Daisy, der die Wangenmuskeln schon weh taten vom krampfhaften Lächeln, hob das erste Stück heraus und auf einen Teller, den sie Alex hinhielt.
Er nahm ihn wortlos.
Die Stille wurde langsam unerträglich. Schließlich brach Jill das Schweigen und meinte, nervös zwischen Braut und Bräutigam hin- und herblickend: »Tut mir leid, dass es nur Schokolade ist. Wir haben die Torte ganz kurzfristig bestellt, und die Bäckerei hatte keinen weißen Kuchen mehr.«
Daisy sah sie dankbar an. Zumindest einer, der versuchte, die angespannte Situation zu entschärfen. »Schokoladenkuchen mag ich am liebsten.«
Alex stellte seinen Pappteller so abrupt auf den Tisch, dass das unberührte Kuchenstück mit dem Gesicht nach unten auf der Erde landete. »Entschuldigt mich. Ich muss wieder an die Arbeit. Ich danke euch allen.«
Daisy reichte Madeline mit zitternder Hand den nächsten Teller. Irgend jemand kicherte hämisch. Daisy hob den Kopf und sah, dass es Heather war.
Der Teenager zog eine triumphierende Grimasse und rannte hinter Alex her. »Kann ich dir was helfen?«
»Sicher, Schätzchen.« Seine Stimme, warm und voller Zuneigung, drang durch die klare Nachtluft zu ihnen. »Wir haben ein Problem mit der Kabelwinde. Du kannst mir helfen, das Ganze mal anzusehen.«
Daisy blinzelte energisch. Sie heulte sehr leicht, aber wenn sie es jetzt tat, würde sie diesen Leuten nie wieder ins Gesicht sehen können. »Hier, ich schneid noch ein paar Stücke ab.« Sie stieß den nächsten Teller einem Mann mit leicht schütterem blondem Haar in die Hände, der aussah wie ein überalterter kalifornischer Surfboy. Ihr fiel ein, dass er sich als Neeco Martin vorgestellt hatte, Elefantendompteur, als er beim roten Waggon vorbeischaute.
Er nahm ihn wortlos an und kehrte ihr dann den Rücken zu, um sich mit einem der Clowns zu unterhalten. Madeline trat vor, um Daisy zu helfen. Offenbar fand sie, dass es das beste war, das ganze so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Die Artisten nahmen einer nach dem andern ihr Kuchenstück entgegen und schlenderten dann langsam davon.
Es dauerte nicht lange, und nur noch Jill war übrig. »Es tut mir so leid, Daisy. Ich hielt das Ganze für eine gute Idee, aber ich hätte wissen sollen, dass Alex so was nicht mögen würde. Er ist ein ziemlicher Privatmensch.«
So privat, dass er‘s nicht mal der Mühe wert gefunden hatte, diesen Leuten gegenüber seine Heirat zu erwähnen.
Daisy rang sich noch ein starres Lächeln ab. »Ich glaub, jeder muss sich erst mal an eine Ehe gewöhnen.«
Jill nahm das Papptablett mit dem restlichen Kuchen und drückte es Daisy in die Hand. »Hier. Warum nimmst du den nicht mit?«
Daisy merkte, wie ihr speiübel wurde. Am liebsten hätte sie den Kuchen nie wieder gesehen, doch sie beherrschte sich und nahm ihn an. »Himmel, so spät, und ich muss noch ‘ne Million Dinge erledigen, bevor‘s Zeit ist zum Schlafengehen.«
Sie floh.
Während der nächsten paar Stunden, in denen das big top abgebaut wurde, zwang sich Daisy, alles wieder in Schränke und Kästchen einzuräumen. Sie war wie vor den Kopf geschlagen und so erschöpft, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, doch sie arbeitete dennoch weiter.
Ihre teure Designerhose war ganz schmutzig, und ihre Bluse klebte an ihrer Haut, aber es war ihr egal. Sie hatte sich so gewünscht, dass diese Leute ihre Freunde wurden, doch das würde nun nie geschehen, wo sie wussten, wie wenig Achtung Alex vor ihr empfand. Und wie
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