Kuess mich - es ist Karneval
gebeten, Lebensmittel zu besorgen”, fuhr Roberto fort, “du wirst also in der Küche genug zum Frühstück und Mittagessen finden.”
“Zyankali und Glasscherben?” fragte Ellen spöttisch.
Roberto lächelte schwach. “Ich fürchte, beides war im Supermarkt gerade ausverkauft.”
“Was für ein schlechtes Management”, bemerkte sie trocken.
“Kommt die Hausangestellte heute auch?” fragte sie, während sie ihn zur Tür begleitete.
“Nein. Ich habe ihr wegen des Karnevals eine Woche freigegeben. Solltest du einen Blick auf den Strand werfen wollen; mußt du, wenn du aus dem Eingangstor kommst, nach links gehen. Nach ungefähr zwanzig Minuten erreichst du Ipanema.” Roberto war wieder ganz der vorbildliche Gastgeber.
“Doch auch der Weg um die Lagune ist wunderschön. Du mußt nur daran denken, daß Rio wie jede Größstadt voller Gefahren ist. Trag also weder Schmuck noch größere Geldsummen mit dir herum”, warnte er sie, “und halte deine Kamera fest.”
“Das werde ich tun. Aber ich werde heute vormittag keinen Ausflug mehr machen, sondern nur einige Sachen auspacken und danach erst einmal schlafen.”
“Hast du denn nicht im Flugzeug geschlafen?”
“Nicht viel.” Ellen strich sich eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr. “Und jetzt bin ich ganz erschöpft.”
Roberto sah auf sie herab. “Es tut mir leid. Ich hätte sehen müssen, wie müde du bist, und mit meinen geschäftlichen Anliegen bis später warten sollen.” Er lächelte Ellen gewinnend an. “Kannst du mir verzeihen?”
Nachdem er mich beschimpft hat, geht er jetzt dazu über, mich zu beschwichtigen, dachte sie. Sein verführerisches Lächeln war nahezu unwiderstehlich. Aber Ellen blickte ihn nur kühl an.
“Vielleicht”, antwortete sie zögernd. “Irgendwann.”
Roberto legte seine Hände auf ihre Schultern. “Nein, jetzt”, sagte er leise, beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie.
Seine Lippen waren weich und warm. Sie spürte seinen schlanken, sehnigen Körper, mit dem sie bisher noch nie so eng in Berührung gekommen war. Betäubt durch diese Nähe, schwankte Ellen ein wenig. Ihre Lippen schienen miteinander zu verschmelzen. Hilflos versank sie in einem Strudel des Entzückens, als sich Roberto plötzlich von ihr löste und einen Schritt zurücktrat.
“Schlaf gut.” Mit ausdrucksloser Miene drehte er sich um, und einen Augenblick später hörte Ellen, wie er die Wohnungstür hinter sich schloß.
Verwirrt drückte sie den Handrücken auf ihre brennenden Lippen. Sie hatte geglaubt, sie sei inzwischen weniger anfällig als damals mit sechzehn Jahren. Warum hatte sie sich nur wie eine willenlose Puppe von Roberto küssen lassen und sich dabei noch an ihn geschmiegt? Sie hatte doch gewußt, daß hinter seinem Lächeln und seinem Kuß nur die Absicht stand, sie zu erweichen und dazu zu bringen, ihm die Geschäftsanteile so schnell wie möglich zu verkaufen. Und sie hatte es einfach mit sich geschehen lassen.
Ellen ließ sich auf das Bett sinken. Während des nächtlichen Flugs hatte sie sich immer wieder ausgemalt, wie es sein mochte, wenn der Konflikt der Vergangenheit zwischen ihnen endlich beigelegt wäre. Sie hatte sich vorgestellt, wie leicht und unbefangen sie miteinander umgehen würden, und nun hatte die erotische Anziehungskraft, die zwischen ihnen knisterte, alles zunichte gemacht. Das störte ihre Beziehung zueinander genauso wie Robertos unerklärliche Ablehnung. Wenn sie nur wüßte, warum er sie ablehnte.
Roberto wußte doch, daß eigentlich nur ihre Mutter zu verurteilen war. Aber vielleicht übertrug er seinen Ärger jetzt von der Mutter auf die Tochter, und sie war dadurch völlig unschuldig unter Beschuß geraten. Zwar kannte sie Roberto nicht so gut, aber sie hätte ihn nie für so unfair gehalten.
Ellen zog sich aus und schlüpfte ins Bett. Roberto muß denken, daß ich ihm aus purem Trotz die Anteile nicht verkaufen will, dachte sie. Und das zu Recht. Daß sie Fragen über die Firma gestellt hatte, war lediglich eine Verzögerungstaktik gewesen. Ellen mußte lächeln, als sie daran dachte, wie sehr es Roberto getroffen hatte.
Sie hatte sich darüber geärgert, daß er einfach vorausgesetzt hatte, sie würde widerspruchslos mitmachen und jetzt - das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht - jetzt müßte sie dumm sein, wenn sie so einfach einem Mann gehorchte, der lediglich den Wünschen seines Vaters nachkam, indem er sie nach Rio einlud.
Ellen zog die Bettdecke hoch bis zum Kinn,
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