Kuess mich - es ist Karneval
kanntet.
Ellens Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch mehr. Sie hatte geglaubt, daß sich Roberto bei ihr entschuldigen würde, nachdem er von seinem Vater die Wahrheit erfahren hätte. Viele Monate hatte sie auf einen Brief oder Anruf gewartet, aber vergebens. Und jetzt, nach zehn Jahren, da sie eigentlich mit einer Versöhnung oder zumindest einem Waffenstillstand gerechnet hatte, verhielt sich Roberto ihr gegenüber weiterhin feindselig - nur wegen ihrer Mutter.
Ellen ballte die Hände zu Fäusten. Roberto hatte ganz richtig bemerkt, daß sie sich verändert habe, und zwar nicht nur äußerlich. Sie war härter geworden. Die Zeiten, in denen sie das Opfer gewesen war, existierten nicht mehr. Jetzt bestimmte sie ihr Leben selbst und ging an die Dinge auf ihre Weise heran. Ich kann jetzt das, was man mir antut, mit gleicher Münze zurückzahlen, dachte Ellen kämpferisch. Wenn Roberto mich auf eine Entschuldigung warten läßt, kann ich ihn genausogut auf den Verkauf meiner Geschäftsanteile warten lassen. Es müssen ja nicht zehn Jahre sein, aber für eine Weile. Und in der Zwischenzeit werde ich zusehen, wie er sich windet!
Ellen schreckte aus dem Schlaf hoch. Wo bin ich? fragte sie sich in ihrer erster Verwirrung. Doch dann erinnerte sie sich. Sie war in Rio de Janeiro in Robertos Apartment, in dem sie die Folgen ihres langen Fluges ausschlief. Sie blinzelte zu den zugezogenen Vorhängen hinüber und sah das Sonnenlicht durchscheinen. Wie lange hatte sie geschlafen? Ihr Kopf fühlte sich so schwer an, als hätte sie tagelang in tiefem Koma gelegen.
Sie schob die Decke beiseite, stand auf und stolperte schlaftrunken ins Badezimmer. Eine Dusche würde ihr helfen, wieder wach zu werden.
Sie hatte sich schon abgetrocknet und fing gerade an, ihr Haar zu frottieren, als sie merkte, daß ihr Mund wie ausgetrocknet war. Sie brauchte einen Drink. Jetzt gleich!
Also hängte sie das feuchte Badelaken über die Stange, nahm sich ein trockenes kleines Handtuch und ging in die Küche.
Ellen sah sich verschlafen um. Im Kühlschrank würden sicher kalte Getränke stehen. Die Küche war mit den modernsten Geräten und Anbauelementen aus glattem Kiefernholz ausgestattet. Hinter einer dieser Holztüren mußte der Kühlschrank versteckt sein.
Nachdem Ellen ohne Erfolg in den oberen Schränken nachgesehen hatte, ging sie zur nächsten Reihe über. Sie hielt das Frotteetuch lose in der Hand, und während sie sich nach vorn beugte, hörte sie ein Geräusch. Verwirrt blickte sie über die Schulter und sah Roberto gerade zur Tür hereinkommen.
Er blieb wie angewurzelt stehen und lächelte. “Na, na”, sagte er belustigt, wobei er mit der Zunge schnalzte. “Nackt in der Küche? Das ist doch bestimmt gegen alle Anstandsregeln prüder Engländerinnen.”
Ellen hatte sich aufgerichtet Und hielt sich das Handtuch quer vor die Brust. Dann drehte sie sich zu Roberto um. Zumindest bin ich vorne vor seinen Blicken geschützt, dachte sie erleichtert. Dann aber merkte sie, daß ihr das kleine Handtuch kaum bis zu den Hüften reichte. Ihre Wangen glühten, als sie mit gespreizter Hand verzweifelt versuchte, das ungeschützte Dreieck blonder Locken zwischen ihren Schenkeln zu bedenken.
“Senkrecht”, sagte Roberto verständnislos sah sie ihn an.
“Wie bitte?”
“Wenn du das Handtuch senkrecht statt horizontal vor dich hältst, wird es dich vorn im Ganzen bedecken”, erklärte er geduldig, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen, “…oder um genauer zu sein, es würde die Teile bedecken, die du so verzweifelt zu verbergen suchst.”
Ellens rosige Wangen verfärbten sich noch mehr. “Oh, ich verstehe.” Sie nestelte nervös an dem Handtuch herum und versuchte, es in eine günstigere Position zu bringen. “Was machst du denn hier?” fragte sie erstaunt.
“Es ist bereits nach sechs Uhr.”
“Wirklich?” sägte sie überrascht. “Ich bin eben erst aufgewacht.”
Roberto lehnte am Türrahmen. “Es schien, als suchtest du etwas.”
“Ja, ich habe den Kühlschrank gesucht. Ich bin durstig.”
Er wies mit dem Kopf auf eine Doppeltür unter der Arbeitsplatte. “Der Gefrierschränk ist links, der Kühlschrank rechts. Dort findest du Cola, Orangensaft, Mineralwasser, Bier und Wein. Bedien dich nur.”
“Danke”, sagte Ellen, rührte sieh aber nicht von der Stelle.
Wenn sie jetzt den Kühlschrank öffnete; müßte sie Roberto ihre unbedeckte Seite zuwenden.
“Es ist nicht das erste Mal, daß ich eine nackte
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