Küss mich später: Marsden 1 - Roman (German Edition)
Perfektion überkam, von ihm ab. »Komm mit, Kleiner, wir gehen Mom begrüßen.« Er begab sich mit Kojak an seiner Seite in die Küche. Unterwegs passierte er die Tür zum Wohnzimmer, wo sein Vater schnarchend auf seinem Lehnstuhl lag. Mike weckte ihn nicht, wohl wissend, dass er seinen Schlaf brauchte. Der Flachbildfernseher, den Mike und seine Geschwister ihren Eltern im Vorjahr zu Weihnachten spendiert hatten, war eingeschaltet, es lief ein Footballspiel.
»Hey, Mom.« Er betrat die Küche und umarmte seine Mutter. Dann drehte er sich zu dem riesigen Topf um, der auf dem Herd stand. »Hier riecht es ja lecker.« Er hob den Deckel an, bekam von Ella jedoch sogleich mit dem Kochlöffel einen Klaps auf die Finger. »Aua!«
»Finger weg!« Sie grinste und wedelte drohend mit dem Holzlöffel.
Trotz Simons Erkrankung hatte sie es geschafft, sich ihre Fröhlichkeit zu erhalten, und falls ihre strahlende Haut von ein paar zusätzlichen Falten durchzogen war, so tat dies ihrer Attraktivität keinen Abbruch. Das lockige rotbraune Haar, das ihr Gesicht umrahmte, betonte noch zusätzlich ihr jugendliches Aussehen, selbst wenn die Farbe inzwischen regelmäßig künstlich aufgefrischt wurde.
»Hey, Leute!«, tönte es vom Flur.
»Hey, Erin«, rief Mike, dann fiel ihm sein Vater wieder ein, und er zog schuldbewusst den Kopf ein.
Erin kam mit einer Kuchenschachtel in der Hand in die Küche. »Dad pennt«, beruhigte sie ihn. »Der würde nicht mal aufwachen, wenn hier eine Blasmusikkapelle durchmarschierte.«
»Ich hab ihm vorhin eine Schmerztablette gegeben, weil er Rückenschmerzen hatte«, berichtete Ella.
Mike schluckte den Kloß hinunter, den er prompt im Hals hatte. Seinen alten Herrn warf so bald nichts um. Er würde wieder gesund werden. »Was für einen Kuchen hast du mitgebracht?«
»Dads Lieblingskuchen, Angel Cake.«
Natürlich. Erin war seit jeher ein Musterkind gewesen, das stets ohne Aufforderung das Richtige tat. Mike dagegen schaffte es mit Mühe und Not, rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, wenn er eingeladen war. Von einem Mitbringsel konnten seine Gastgeber nur träumen.
Seine Schwester stellte die Schachtel mit dem hellen Biskuitkuchen auf der Anrichte ab. »Hi, Mom.« Sie gab ihrer Mutter einen Schmatz auf die Wange, dann drehte sie sich grinsend zu Mike um und umarmte ihn. »Tag, großer Bruder.«
»Tag, Nervensäge.«
Sie boxte ihn mit dem Ellbogen in die Rippen. »Idiot.«
»Frechdachs.«
»Schluss damit«, rügte Ella sie, als wären sie kleine Kinder, und Erin lachte.
»Alte Gewohnheit.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte. Erin war eine perfekte Mischung aus beiden Eltern – sie hatte die rotbraunen Haare ihrer Mutter geerbt und dazu die haselnussbraunen Augen ihres Vaters, in denen nun der Schalk aufblitzte. »Wo steckt Sam?«, wollte sie wissen.
»Er ist noch nicht da.« Ella warf einen Blick auf die Uhr am Herd und runzelte die Stirn. »Sieht ihm gar nicht ähnlich, dass er zu spät kommt. Vielleicht wurde er aufgehalten. Oder hat er heute Spätschicht?« Sie sah zu Mike, der ja nun Sams Boss war.
»Nicht, dass ich wüsste. Es sei denn, er hat mit jemandem getauscht.«
»Tja, dann setzen wir uns doch und warten auf ihn, damit euer Vater noch ein bisschen schlafen kann.« Ella deutete auf den Küchentisch, und sie nahmen Platz, auf denselben Stühlen, auf denen sie schon als Kinder gegessen hatten.
»Wie geht es Dad?«, erkundigte sich Erin. »Er hatte Schmerzen, hast du gesagt?«
Ella nickte. »Man wollte eigentlich noch mit der Bestrahlung warten, aber der Arzt meinte, eventuell fangen sie doch schon diese Woche damit an. Das hilft gegen die Schmerzen, und der Tumor bildet sich zurück. Auf die Chemo spricht er ganz gut an, und sein Kampfgeist ist bewundernswert«, berichtete sie sichtlich stolz.
»Und wie geht es dir?« Mike griff nach ihrer Hand.
Sie winkte sogleich ab. »Bestens. Ich bin schließlich nicht diejenige, die Krebs hat.«
Mike warf seiner Schwester einen vielsagenden Blick zu. Ihre Mutter benahm sich, als wäre sie eine Art Superwoman und kam ihren Aufgaben stets ohne Klage nach. Die personifizierte Perfektion eben , dachte Mike. Aber auch sie musste erschöpft sein. Er öffnete den Mund, um sie daran zu erinnern, dass auch sie gelegentlich eine Pause benötigte, doch Erin bedeutete ihm mit einem Kopfschütteln, es bleiben zu lassen.
Er gab sich geschlagen, aber irgendwann, das wusste er, musste sich seine Mutter zur Abwechslung auch mal unter die Arme
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